Fachinformationen - Diabetes


Diabetes mellitus und Reisen

Bildquelle: Karoline Bloch

Allgemeines
Das Vorliegen eines Diabetes mellitus muss die Reisetauglichkeit für Fernreisen in tropische Klimazonen nicht grundsätzlich einschränken. Gesundheitsrisiken sind bei Diabetikern gering, wenn sie durch Schulungen eine Sicherheit im Umgang mit ihrer Erkrankung erworben haben, die Stoffwechsellage weitgehend stabil ist und schwerwiegende Organschäden (z.B. der Niere, der Augen) ausgeschlossen sind. Von einer Reise in die Tropen wird man nur unter wenigen Bedingungen grundsätzlich abraten: Bei stark schwankenden, schlecht zu kontrollierenden Blutzuckerwerten sollte die Reise verschoben werden bis eine bessere Einstellung erreicht ist. Bei erheblicher Schädigung der inneren Organe (z.B. der Nieren, der Nerven etc.) oder der Haut (z.B. schlecht abheilende Geschwüre an den Füßen) ist die Reisefähigkeit kritischer zu beurteilen. Auch Fernreisende, die in nicht- tropische Gegenden fliegen, benötigen eine intensive ärztliche Beratung. Einige für Diabetiker besonders wichtige Risikofaktoren sind bei Auslandsreisen unausweichlich: unbekannte Nahrungsmittel und unregelmäßige Mahlzeiten, Belastung durch Klimawechsel, Reisestress, erhöhte Risiken durch Infektionen und verändertes Aktivitätsniveau. Sicheres und entspanntes Reisen erfordert daher besonders bei Diabetikern eine eingehende Vorbereitung und Vorsorge.


Vor Reiseantritt
Die Reise sollte ausführlich mit dem Hausarzt/ Internisten und einem Reisemediziner besprochen werden, vor allem wenn zusätzliche Erkrankungen bestehen. Diabetiker sollten über einen guten Impfschutz verfügen. Sie haben im Vergleich zu Stoffwechsel-Gesunden zwar in der Regel kein erhöhtes Infektionsrisiko, Erkrankungen können aber bei ihnen schwerer verlaufen und Verletzungen heilen langsamer.

Die Versorgung mit medizinischem Gerät (Ersatzmessgerät und Ersatzbatterie!) und gewohnten Insulinpräparaten/oralen Antidiabetika in doppelt ausreichender Menge für die gesamte Reisezeit ist ratsam (zusätzlich: Glukagon). Diabetestagebuch und Diabetes-Ausweise (möglichst auch in Englisch und in Landessprache) gehören ebenso dazu.

Kleine Kühltaschen für Diabetiker sind in Apotheken erhältlich. Es kann hilfreich sein, sich in der jeweiligen Auslandsvertretung über die im Land erhältlichen Medikamente zu informieren oder ein ärztliches Rezept über entsprechende Generika (= chemische Substanznamen) mitzunehmen. Es ist empfehlenswert, einen Diabetikerausweis und einen Hinweis auf zuständige medizinische Versorgung im Ausland (Arzt/Krankenhaus) bei sich zu führen. Zusätzlich kann ein ärztliches Attest über die medizinische Notwendigkeit von Spritzen, etc. am Grenzübergang nützlich sein. Es kam bereits vor, dass Reisende, die aus ihrem Heimatland einen liberaleren Umgang mit Diabetikern gewohnt waren, für ihren 25-stündigen Rückflug von Europa nach Australien kein Insulin mit an Bord nehmen durften und während des Fluges eine schwere Ketoazidose entwickelte (Skowronski 2007).

Der Versicherungsschutz für Auslandsaufenthalte, einschließlich ggf. erforderlicher Rückholmaßnahmen, sollte geklärt werden.

 Bildquelle: Denis Zimmer

Bei Reisen in Gebiete mit hohem Malariarisiko wird eine medikamentöse Prophylaxe empfohlen. Ein häufig verwendetes Malariamedikament ist das Lariam® (Wirkstoff: Mefloquin). Werden gleichzeitig orale Antidiabetika und/oder Cumarinderivate eingenommen, so ist eine gegenseitige Beeinflussung der Wirkstoffspiegel möglich. Die Einnahme von Lariam® kann beispielsweise zusammen mit Diabetesmedikamenten hypoglykämische Zustände herbeiführen und in Kombination mit Gerinnungshemmern wie Marcumar® (nicht aber bei ASS) deutlich verlängerte Gerinnungszeiten bewirken.


Da bei Diabetikern Infektionskrankheiten oft schwerer verlaufen und Infekte außerdem das Risiko von Entgleisungen des Blutzuckers beinhalten, ist die Information über sinnvolle Schutzimpfungen von großer Bedeutung. Fernreisen sind generell ein guter Anlass, um vielleicht schon länger bestehende Impflücken zu schließen (zum Beispiel Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Influenza und Pneumokokken). Darüber hinaus schützen Reiseimpfungen (zum Beispiel gegen Hepatitis A) vor häufigen auslandsspezifischen Erkrankungen. Auch die ansonsten eher selten empfohlene Cholera-Schluckimpfung kann wegen eines (zumindest vermuteten) zusätzlichen Effektes auf enterotoxische E. coli (ETEC) Bakterien (möglicherweise) das Risiko für Reisedurchfall verringern. Keinesfalls kann diese oder andere Impfungen ein Ersatz für eine konsequente Nahrungs- und Trinkwasserhygiene sein.

Während der Reise

Wenn während des Fluges Spritzen (z.B. für Insulin) benötigt werden, müssen diese bei den Airlines vor Flugantritt angemeldet werden.

Episoden von Hypoglykämie werden im Flugzeug nicht selten beobachtet. In der Erwartung, dass das Bordmenü kurz nach dem Start des Flugzeugs serviert wird, injizieren sich viele Diabetiker ihr Insulin kurz vor dem Boarding. Kommt es zu Verzögerungen beim Start, kann ein zu starker Abfall des Blutzuckerspiegels resultieren. Aus diesem Grund haben zahlreiche Airlines Glukagon-Ampullen und orales Glucose-Gel in ihren Notfall-Kits.

Bildquelle: Werner Schönherr


Medikamente und medizinische Utensilien gehören ins Handgepäck! Verspätungen oder Gepäckverlust sind immer möglich, und bei den sehr niedrigen Temperaturen im Gepäckraum des Flugzeuges können die Medikamente leicht Schaden nehmen.

Insulin gehört nicht in den Kofferraum, ins Sonnenlicht oder auf Eis! Es sollte lichtgeschützt und kühl (zwei bis acht Grad Celsius) aufbewahrt werden. Zeigt Insulin eine bräunliche Verfärbung oder ein weißlich-schlierig-klumpiges Aussehen, ist es verdorben und unwirksam.

Obwohl grundsätzlich auf eine geeignete Lagerung und ggf. Kühlung der Insulinbedarfs geachtet werden sollte (fertige Taschen sind in den Apotheken erhältlich), behalten die meisten Insuline nach Angaben des Herstellers selbst bei Temperaturen bis 30 °C über Wochen ihre volle Wirksamkeit (siehe Beipackzettel). Größere Vorsicht ist eher bei Reisen in kühle Regionen geboten: einmal gefrorenes Insulin verliert seine Wirksamkeit!

Anpassung der Insulindosis

während der Reise durch mehrere Zeitzonen (sechs und mehr Stunden Zeitdifferenz):

Gute Erfahrungen wurden mit der folgenden Anpassung der Insulindosierung gemacht:

Reisen nach Osten verkürzen den Tag und verringern die erforderliche Insulinmenge, z.B.: Verkürzung des Insulin-Injektionsintervalls plus Verringerung der Insulindosis um zwei bis vier Prozent der Tagesdosis pro Stunde Zeitverschiebung. Bei einem Flug nach Osten über mehr als sechs Zeitzonen sollte zur Vermeidung von Unterzuckerungen morgens am Reiseziel nur 2/3 der üblichen Insulindosis (Mischinsulin) gespritzt werden. Wenn üblicherweise zwei Insulingaben am Tag erfolgen, sollte vor der 2. Gabe der Blutzuckerspiegel überprüft werden, um gegebenenfalls die Insulindosis anzupassen.

Reisen gen Westen verlängern den Tag und erfordern mehr Insulin und eine erhöhte Nahrungszufuhr, z.B.: Verlängerung des Injektionsintervalls um zwei bis drei Stunden (betrifft die nächsten zwei geplanten Injektionen) und Erhöhung der Insulindosis um zwei bis vier Prozent der Tagesdosis pro Stunde Zeitverschiebung. Bei einem Flug nach Westen über mehr als sechs Zeitzonen wird morgens am Reiseziel die volle Morgendosis gespritzt und anschließend der Zuckerwert kontrolliert. Reisende mit intensivierter Einstellung können ihre Insulindosis individuell anpassen.

Die Einnahme oraler Antidiabetika erfolgt wie üblich gemäß Ortszeit.

Bildquelle: Werner Schönherr


Am Reiseziel
Zur Vermeidung oder zur Behandlung von Magen-Darm-Infekten mit Erbrechen und Durchfall ist es wichtig, besonders auf strenge Wasser- und Nahrungsmittelhygiene zu achten und ein Antibiotikum für den Notfall mit sich zu führen.

Zur Vermeidung von Entzündungen im Bereich der ableitenden Harnwege („Blasenentzündung“) sollten die Patienten für einen ausgeglichenen Flüssigkeitshaushalt sorgen (viel trinken) und auf helle Urinfarbe achten.

Wichtig ist es, dass die Patienten während der Reise eine sorgfältige Körperpflege betreiben. Hierbei ist vor allem auch auf die Füße zu achten. Es gelten die folgenden Empfehlungen: möglichst nicht barfuß gehen, generell Verletzungen vermeiden (auch bei der Pediküre), Füße trocken halten (Schutz vor Pilzinfektionen) und regelmäßig inspizieren. Generell sollten kleine Wunden durch antiseptische Salbe und einen Verband versorgt werden. Die Patienten sollten den Heilungsprozess der Wunde engmaschig kontrollieren und im Zweifel frühzeitig ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Diese folgenden Aspekte und ihre Auswirkungen auf die Blutzuckerkonzentration sind besonders bei Fernreisen nur schwer vorhersehbar:

Bildquelle: Werner Schönherr

Fazit

Grundsätzlich sollte der Diabetes vor Antritt der Reise über mehrere Monate stabil eingestellt sein. Vor längeren Reisen ist eine gründliche ärztliche Untersuchung zu empfehlen. An erster Stelle der Empfehlungen für Diabetiker während der Reise steht daher die regelmäßige Blutzucker-Selbstmessung. Nur dann kann auf beginnende Entgleisungen rechtzeitig reagiert werden. Sinnvoll ist es auch, die Reise so zu planen, dass sich der zu erwartende Stress in Grenzen hält. Stressbelastungen führen zu einer vermehrten Ausschüttung des Hormons Cortisol, was mit einer Schwächung des Immunsystems einhergeht. Stress lässt sich vermeiden durch langsames, gleichmäßiges und genussbetontes Vorgehen. Vor der Abreise daran denken, ausreichend Teststreifen (f. Blutzucker, Urinzucker und Urinketon) zu besorgen und sich unter unterschiedlichen Bedingungen mit deren Handhabung vertraut zu machen. Und wenn doch etwas passiert? Der Abschluss einer Reisekrankenversicherung ist besonders für Diabetiker zu empfehlen.

Literatur:

Links

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RMZ, 31.05.2018



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