Fachinformationen - Influenza Impfung: Artikel
Die Influenzaimpfung wird bei Gefährdeten jährlich, vorzugsweise in den Monaten zwischen September und November, durchgeführt, in Deutschland z.Z. ausschließlich mit inaktivierten, nicht vermehrungsfähigen Impfstoffen. Diese enthalten in der Regel drei verschiedene Grippe-Stämme (trivalenter Impfstoff), welche die überwiegende Mehrzahl der Grippe-Erkrankungen beim Menschen verursachen. Als Nebenwirkungen der Grippe-Impfungen kommt es gelegentlich innerhalb von ein bis drei Tagen an der Impfstelle zu leichten Schmerzen, Rötung und Schwellung der zugehörigen Lymphknoten. Komplikationen wie allergische Reaktionen an Haut und Bronchialsystem sind selten. Impfungen gegen die saisonale Grippe verhindern Infektionen mit Influenzaviren, wenn die Zusammensetzung des Impfstoffes dem epidemischen Virus entspricht. Sie haben keinen Einfluss auf das Auftreten oder den Verlauf "grippaler Infekte" (sehr unterschiedliche Infektionsursachen) und beeinflussen auch den Verlust an Arbeitstagen kaum (Cochrane 2010).
Impfempfehlungen
In Deutschland werden Empfehlungen die Ständige Impfkommission am Robert-Koch Institut (STIKO) formuliert.
- RKI (Influenza)
- STIKO 2018/ 2019
- Euroflu (Europäische Daten und Empfehlungen)
Nach den aktuellen STIKO-Empfehlungen gilt eine Grippeimpfung als indiziert für u.a. folgende Personengruppen:
- Personen über 60 Jahre
- Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung aufgrund eines Grundleidens
- Personen mit erhöhter Gefährdung, z.B. in medizinischen Berufen
- Schwangere ab 2. Trimenon
Allgemein zur Wirksamkeit von Impfstoffen
Zur Beurteilung der Wirksamkeit eines Impfstoffes existiert kein einheitliches Maß. Der Nachweis von Antikörpern ist der am häufigsten verwendete Marker zur Überprüfung des „Impferfolges“. Grundsätzlich ist dies ein brauchbarer Ansatz, da definierte, gegen bestimmte Antigenepitope gerichtete Antikörper naturwissenschaftlich exakt (z.B. im Tierversuch, Antikörperpräzipitationstests etc.) auf ihre neutralisierenden Eigenschaften im Bezug auf ein spezifisches Antigen hin untersucht werden können. Im Wesentlichen bestehen nur zwei Limitierungen für Antikörper als ideale Marker für die Wirksamkeit einer Impfung:
- Die Immunität definiert sich nicht allein über die humorale, sondern u.a. auch über die zelluläre Abwehr, die für ein bestimmtes Antigen nicht notwendigerweise proportional zur Antikörperantwort ausgeprägt sein muss. Tests zur Einschätzung der zellulären Immunität (Ellispot-Assays u.a.) werden selbst in Impfstudien nur selten durchgeführt (zu teuer und aufwendig).
- Die Bestimmung von globalen Antikörpern, (z.B. globale Influenza-Antikörper) sagt nichts über einen tatsächlichen Schutz gegen einen spezifischen Subtyp des (möglicherweise sehr variablen) Erregers. Mögliche bestehende Kreuzimmunitäten zwischen verschiedenen beteiligten Antikörpern und Antigenen erschweren die Einschätzung zusätzlich.
Auch ist der Impferfolg immer im zeitlichen Verlauf zu sehen. Eine Antikörperuntersuchung stellt nur eine Momentaufnahme dar, der Antikörpertiter kann sich mit der Zeit verändern. Dies gilt vor allem für Immungeschwächte, die im Prinzip am meisten von einer erfolgreichen Impfung profitieren würden.
Wie kann der „Erfolg“ einer Impfung definiert werden?
- Induktion einer Antikörperantwort bei einer einzelnen Person, unabhängig von der Höhe der erzielten Antikörperkonzentrationen (= Serokonversion).
- Induktion einer Antikörperantwort, die oberhalb eines als schützend angesehenen Bereiches liegt (= Seroprotektion). Die Seroprotektion bezieht sich ebenfalls zunächst auf eine einzelne Person.
- Unter dem Begriff der „Efficacy“ versteht man den Prozentsatz, um den eine Erkrankung in einer Gruppe Geimpfter seltener auftritt als in einer Gruppe Ungeimpfter. Die „Efficacy“ bezieht sich auf Ergebnisse kontrollierter Studien und wird meist unter idealen Bedingungen, z.B. bei jungen gesunden Erwachsenen, ermittelt.
- Der vorgesehene „Impferfolg“ („Effectiveness“) wird unter Alltagsbedingungen erreicht und bezieht sich auf die eigentliche „Zielgruppe“, zum Beispiel Ältere und chronisch Kranke.
- Eine Zusammenfassung verschiedener Studien (Metaanalyse) lässt nicht nur eine bessere Einschätzung der „Effectiveness“ innerhalb „gemischter Populationen“ zu, sondern (sofern geeignete Studien überhaupt existieren!!!) auch eine Berechnung der Number needed to Vaccinate (NNV; entspricht der Number Needed to Treat, NNT). Die NNV bedeutet die Anzahl der erforderlichen Impfungen, die nötig sind, um einen Erkrankungsfall oder Todesfall zu verhindern.
- Evaluation des Erfolges nationaler oder internationaler Impfprogramme; aktuell zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Masernimpfkampagne in Äthiopien (Nigatu 2008).
- Eradikation einer Erkrankung nach weltweit durchgeführten Impfkampagnen; Beispiel letzter Fall der Variola major im Jahr 1977.
Während die Eradikation einer Erkrankung ein eindeutiger, aber nur äußerst selten erreichter Punkt ist, gibt es zumindest für einige Impfungen Angaben zur NNV. Jedoch ist auch hierbei der Unterschied zwischen „efficacy“ und „effectiveness“ zu beachten, dass heißt, der Unterschied zwischen speziell ausgewählten Probanden und denjenigen Personen, bei denen man erwartet, dass sie im täglichen Leben tatsächlich von der Impfung profitieren. Eine Einschätzung der NNV liegt für zahlreiche Impfungen vor.
Die „Effektiveness“ lässt sich im Rahmen von kontrollierten Studien im Allgemeinen nur unzureichend beurteilen, da allein der Akt des Einschließens von Probanden zu diesen Untersuchungen Ein- und Ausschlusskriterien beinhalten, die in aller Regel nicht die Eigenschaften der Population widerspiegelt, in der der Impfstoff angewendet wird (Bsp. getestet bei jüngeren gesunden Probanden, angewendet bei älteren multimorbiden Patienten) (Marley 2000). Doch auch der Versuch einer Einschätzung des Impferfolgs nach den Kriterien der Evidence based Medicine (EbM) kann fehlerbehaftet („biased“) sein. Das „Gütesiegel“ EbM kann darüber hinwegtäuschen, dass eine Metaanalyse (i.d.R.) nur so gut sein kann wie die zugrunde liegenden Studien (besonders bei geringer Anzahl mit mangelhaftem Design). Finden sich zu einer Fragestellung nur drei Studien mäßiger Qualität, so kann oft auch die entsprechende Metaanalyse, selbst wenn alle Ergebnisse streng EbM konform ausgewertet werden, zu Fehleinschätzungen führen. Fließen neuere und größere Studien in die Beurteilung ein, so kann es jederzeit zu einer Neubewertung der Evidenz kommen.
Daher stellt jegliche Einschätzung im Sinne der EbM immer nur eine Momentaufnahme in einem dynamischen Prozess da. Jede hochqualitative neue Studie zur Thematik oder neue wissenschaftliche Erkenntnisse können eine Adjustierung/Revision der bisherigen Empfehlungen erforderlich machen.
Dies gilt vor allem in der Impfstoff-Forschung, wo eine Einschätzung nur auf dem Boden großer Fallzahlen, detaillierter Angaben zu den Probanden (Demographie, Alter, Grunderkrankungen) einschließlich genauer Beschreibungen der durchgeführten Interventionen möglich ist (Jacobson 2007).
Effizienz der Influenzaimpfung
Die Beurteilung der Wirksamkeit von Grippeimpfungen wird besonders durch die o.g. Variabilität des Influenzavirus erschwert. Dies gilt bereits für eine serologische Beurteilung der Wirksamkeit, da durch frühere Influenzainfektionen und/oder Impfungen oft bereits vor der Gabe des Studienimpfstoffes Influenzaantikörper im Blut vorhanden sind (denn: Antikörper sind in diesem Fall nicht gleichbedeutend mit Schutz vor zirkulierenden Viren, können es aber bei bestehenden Kreuzimmunogenitäten durchaus sein). Die Annahme eines vierfachen Titeranstiegs als Äquivalent für eine durch den Impfstoff erzielte Seroprotektion dient eher einer qualitativen als einer quantitativen Einschätzung. Findet sich ein solcher Titer-Anstieg jedoch bei Patienten, die zuvor geimpft wurden, ist die Interpretation der Befunde schwierig, da die Impfung ebenfalls mit einem Anstieg der entsprechenden Antikörper einhergeht. In einer Studie wiesen nur 23% der Patienten mit Antikörperanstieg tatsächlich eine Influenza auf. Der Goldstandard für den Nachweis einer Influenza ist der Nachweis von Influenzavirus-RNA mittels PCR-Technik im Blut.
Daher sind alle Angaben über die Schutzwirkung einer einzelnen Grippeimpfung mit großer Vorsicht zu betrachten.
Der Infektiologe Michael T. Osterholm und Kollegen von der University of Minnesota veröffentlichten 2012 einen Artikel in dem renommierten Fachblatt Lancet Infectious Diseases. Im Vordergrund der Arbeit steht die Bewertung des Nutzens der Influenzaimpfung. Die Bewertung erfolgt in Form einer Meta-Analyse, also einer Auswahl von Studien möglichst hoher Qualität und eine statistische Zusammenfassung der einzelnen Ergebnisse. Er kommt zu folgender Schlussfolgerung:
- "Influenza vaccines can provide moderate protection against virologically confirmed influenza, but such protection is greatly reduced or absent in some seasons. Evidence for protection in adults aged 65 years or older is lacking. "
Eine Einschätzung, die sich mit denen früherer Untersuchungen im Prinzip deckt:
- "Mit Influenza Impfungen ist ein moderater Effekt verbunden, Influenza-Symptome zu vermindern und Arbeitszeit einzusparen. Es besteht keine Evidenz, dass sie sich auf Komplikationen auswirken, wie Lungenentzündung, oder auf die Übertragung des Virus." (Cochrane 2010)
Frühere Untersuchungen
- Eine Metaanalyse (Jefferson 2008) der verfügbaren Studien zur Wirksamkeit von Influenzaimpfungen bei Kindern im Alter unter 16 Jahren zeigte eine „Efficacy“ von 59% (95% CI; 41-71%) und eine „Effectiveness“ von 36% (95% CI, 24-46%). Bei Kindern im Alter unter 2 Jahren erwiesen sich (inaktivierte) Impfstoffe als nicht wirksamer als Placebo. Diese Einschätzung erfolgte jedoch auf einer unzureichenden Datenbasis (nur eine existierende Studie). Inzwischen wurden die Ergebnisse einer neueren (randomisierten) Studie vorgelegt, die für Kinder jünger als 6 Monate eine „Effectiveness“ von 36% (95% CI, 7-46%) - bezogen auf labordiagnostisch bestätigte Fälle von Influenza - nachweisen (Zaman 2008). Trotzdem steht die für die USA geltende Impfempfehlung für Kinder ab 6 Monate insgesamt auf einer unsicheren Datenlage.
- Im Falle bestimmter Gruppen wie HIV-positiver Patienten lässt die aktuelle Datenlage auch keine eindeutige Einschätzung zu. Eine Metaanalyse von 2008 (Anema) zeigte z.T. gravierende methodische Mängel existierender Studien. Lediglich eine Studie wurde als hochqualitativ eingestuft. Hier fand sich eine Relative Risikoreduktion (RRR) für Erkrankung (Symptome und Antikörper) um 44% (95% CI; 2-64%).
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Die „Effectiveness“ inaktivierter Influenzaimpfstoffe bei gesunden Erwachsenen im Alter zwischen 16 und 65 Jahre wurde in einer Metaanalyse im Jahr 2007 mit 30% (95% CI, 17-41%) angegeben. Die Untersuchung kam jedoch zu dem Ergebnis, dass je nach Übereinstimmung der Impfstoffantigene mit den zirkulierenden Grippeviren und je nach Impfstoff (z.B. bei Ganzvirusimpfstoffen) die „Effectiveness“ auch wesentlich höher liegen kann (66%, 95% CI, 51-77%), die entsprechende „Efficacy“ lag in diesem Fall bei 93% (95% CI, 69-98%). Influenzaimpfstoffe der Jahre 1966 -2003 erwiesen sich bei 14-60-Jährigen als wirksam in der Verhinderung serologisch nachgewiesener Influenzainfektionen (Reduktion um 48%; CI 95%: 24-64%), deutlich weniger wirksam jedoch in der Vermeidung stationärer Einweisungen (15% bzw. 25%, je nach Übereinstimmung der Impfstoffe mit den aktuell zirkulierenden Stämmen) oder hinsichtlich der Verringerung der Influenza bedingten Arbeitsausfälle (signifikante, aber nur mäßige Reduktion um 0,16 Tage pro Impfung und Influenzasaison) (Demicheli 2005).
- Nach einer Studie aus dem Jahr 2006 waren statistisch 1.116 Influenza-Impfungen erforderlich, um das Leben eines Älteren (≥ 65 Jahre) zu retten (Patel 2006). Im Falle eines höheren Alters (deutlich über 65 Jahre) in Verbindung mit schwereren Atemwegserkrankungen liegt die Zahl der nötigen Impfungen für die Rettung eines Menschenlebens bei 187 Impfungen (Vila-Córcoles 2008).
- In Betreuungseinrichtungen scheinen Impfungen effektiv gegen das Auftreten von Komplikationen zu wirken. Mit Influenza Impfungen ist ein moderater Effekt verbunden, Influenza-Symptome zu vermindern und Arbeitszeit einzusparen. Es besteht keine Evidenz, dass sie sich auf Komplikationen auswirken, wie Lungenentzündung, oder auf die Übertragung des Virus. (Cochrane 2010)
- Eie sorgfältige epidemiologische Studie aus dem Jahr 2005 (Jackson, 2005) fand in geimpften und nicht-geimpften Bevölkerungsgruppen keinen Unterschied, wenn Krankheitsereignisse vor und während der Influenzasaison bei beiden Gruppen verglichen wurden. Die Ursache dieser Beobachtung wird mit einem "Healthy User Effect" erklärt, d.h. gesündere Personen, die ohnehin ein geringeres Erkrankungsrisiko hätten, würden eher geimpft werden.
- Nach Betrachtung der vorhandenen Studien, wurde erkenntlich, dass die Effektivität der Grippeimpfung bei älteren Personen zum Teil erheblich überschätzt werde. Hinsichtlich Laborbestätigter Influenza könnten sie zwischen 0-29% liegen. (Simonsen, 2009, Jackson 2008).
- Der Leiter der Grippeabteilung der Cochrane Collaboration fand anhand einer Studienanalyse heraus, dass Studien hoher Qualität und öffentlicher Finanzierung seltener eine starke Effektivität der Impfung schlußfolgern (Jefferson, 2009).
- In einer weiteren Studie (Fireman, 2009) wurde die Effektivität der Impfung für ältere Menschen, zur Verhinderung von Todesfällen (aller Ursachen), auf 4,6% geschätzt. Positive Effekte lassen sich auch nachweisen, wenn das Personal in Einrichtungen des Gesundheitswesens geimpft wird. Eine Schutzwirkung (Verhinderung schwerer Krankheitsverläufe) bei infizierten Kindern, die an Asthma oder anderen Lungenerkrankungen leiden, ist nicht belegt. (Cochrane 2010)
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Für die biologisch-medizinisch plausible Empfehlung einer Grippeimpfung für Personal im Gesundheitswesen (Übertragung der Grippeviren durch das Personal auf ältere multimorbide Personen noch vor Einsetzen der Symptomatik) existiert auf dem Boden bisheriger Studien (noch) keine klare Evidenz. Zumindest, sofern z.B. die Bewohner von Altenpflegeheimen auch gegen Influenza geimpft sind, zeigt die Grippeimpfung beim Personal positive Effekte. Unter dieser Voraussetzung hat die Influenzaimpfung beim Personal eine „Efficacy“ von 86% (95% CI, 40-97%) (Thomas 2006).
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Bei hoher Übereinstimmung zwischen Impfantigenen und zirkulierenden Influenzaviren können Ältere (≥ 65 Jahre) von der Grippeimpfung profitieren. Es fand sich in einer Metaanalyse von 2006 eine Verminderung der Krankenhauseinweisungen wegen Influenza/Pneumonie um 27% (21-24%) und Atemwegserkrankungen um 22% (15-28%) (Rivetti 2006). Eine kleinere Studie mit über 600 Stadtbewohnern („living in the community“) im Alter über 60 Jahre fand in der Gruppe der Geimpften Seroprotektionsraten über 96% (gegen A:H1N1- und A:H3N2-Antigen) und eine Verringerung des Relativen Risikos für „Influenza-ähnliche Erkrankung“ („influenza-like illness“) um 56% (95% CI; 14-77%) (Praditsuwan 2005). Die insgesamt spärliche Datenlage bei über 65-Jährigen, der wichtigsten Zielgruppe für Influenzaimpfung, ist wiederholt kritisiert worden. Da in höherem Alter mit einem verminderten Ansprechen auf Impfstoffe zu rechnen ist, aber gleichzeitig (theoretisch) diese Patienten am meisten von einer Grippeimpfung profitieren könnten, wäre eine wesentlich transparentere Datenlage wünschenswert. Besonders Hinweise auf eine durch Influenzaimpfungen erzielte reduzierte „Übersterblichkeit“ in den Wintermonaten sind schwammig. Vor allem Angaben, durch Grippeimpfung könne man die Gesamtmortalität einer Bevölkerung in den Wintermonaten um 50% (!) senken sind zweifelhaft. Auch eine Subsumierung von Influenza- und Pneumoniefällen als Grundlage für die Beurteilung der „Effectiveness“ einer Grippeimpfung ist problematisch (arznei-telegramm 2008). Ein Editorial des British Medical Journal im November 2008 bringt den bisher einhelligen Konsens auf den Punkt: „… so should elderly people be vaccinated [against influenza]…? Despite their divergent positions, most experts agree on one thing – that also the evidence base needs strengthening, influenza vaccine has some benefit and programmes should continue.“ (BMJ 2008).
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Neben zahlreichen Faktoren, die den „Erfolg“ der Grippeimpfung beeinflussen können, gehört (wahrscheinlich) auch das Timing. In einer Gruppe von 68.166 Personen im Alter ab 55 Jahre, die als Risikopersonen eingeschätzt wurden, fand sich eine signifikant höhere Hospitalisierungsrate und Gesamtsterblichkeit (relatives Risiko 1,78; 95% CI 1,13-2,80) bei denjenigen, die erst im späten November geimpft wurden, als bei denen, die bereits im frühen Oktober ihre Impfung erhalten hatten. In Ländern mit einer Spitzenaktivität der Influenza zwischen Dezember und frühem März können Risikopersonen von einer frühzeitigen Grippeimpfung profitieren (Chodick 2006).
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Die Empfehlung zur Impfung von Säuglingen und Kleinkindern ist durch Studien nicht oder kaum untermauert. Hinsichtlich der „Efficacy“ fanden sich bei Kindern unter 2 Jahren keine Unterschiede zu einer Placebogabe. Bei Kindern im Alter über 2 Jahre wurde in Metaanalysen aufgezeigt, dass Grippeimpfstoffe „efficacious“ sind (Jefferson 2008).
Die wesentliche Strategie des Öffentlichen Gesundheitswesens bei der Bekämpfung der Influenza besteht im Wesentlichen darin, bestimmte Bevölkerungsgruppen zur Impfung aufzurufen (STIKO: Personen ab 60 Jahre, Patienten mit chronischen Leiden (Herz, Lunge, Stoffwechsel, neurologisch u.a.), Personen mit Immunschwäche (HIV, angeborener Immundefekt u.a.), Schwangeren ab 2. Trimenon). seit dem Jahr 1960 wurde in den USA Älteren, chronisch Kranken und Schwangeren die Influenzaimpfung empfohlen, während die Wirksamkeit der Impfung fast ausschließlich an jungen, gesunden Soldaten getestet worden war. Die Empfehlung wurde in den folgenden Jahren regelmäßig ausgesprochen, zwar unter Hinweis auf die unzureichende Datenlage, aber oft genug, um zu einer etablierten „Gewohnheit“ innerhalb des Gesundheitswesens zu werden. Aus ethischen Gründen wurden schließlich Personen aus Risikogruppen gar nicht mehr zu Placebo-kontrollierten Studien herangezogen, da man aus verständlichen Gründen keinem gefährdeten Patienten die Influenzaimpfung vorenthalten wollte. Seit 2010 hat die ACIP (Advisory Committee on Immunzation Practices) für die Vereinigten Staaten erstmals eine generelle Influenzaimpfempfehlung für die Bevölkerung ab einem Alter von sechs Monaten ausgesprochen.
Für die Auswertung von Osterholm (Lancet Inf Dis, 2012) wurden Studien herangezogen, in denen ein direkter Virusnachweis durchgeführt wurde, entweder mittels RT-PCR oder direkter Anzucht von Viren in der Kultur. Studien, deren Ergebnisse auf weniger sicheren diagnostischen Methoden basierten, wurden von der Auswertung ausgeschlossen. Keine der ausgewählten Studien untersuchte ausschließlich ältere Personen (>= 65 Jahre) oder Kinder im Alter von zwei bis 17 Jahren. In den meisten ausgewerteten Studien wurden Probanden im Alter zwischen 18 und 49 Jahren eingeschlossen. In einigen Studien lag die Altersspanne zwischen 18 und 64 Jahren. Auch zwei Studien mit Säuglingen und Kleinkindern im Alter von sechs bis 24 Monaten wurden berücksichtigt. Eine der beiden Kleinkindstudie zeigte eine mittlere klinische Wirksamkeit („Efficacy“, bezogen auf den Medianwert) von 66% (34 bis 82%) in der Verhinderung von Influenzaerkrankungen. Die andere Studie konnte bezogen auf den Medianwert (-7%; -247 bis 67%) keinen nützlichen Effekt nachweisen. Insgesamt zeigten die von Osterholm ausgewerteten Studien zur Wirksamkeit des konventionellen (trivalenten und inaktivierten) Influenzaimpfstoffs eine Wirksamkeit („Efficacy“, bezogen auf den Medianwert) von 62% (16 bis 76%).
Die Influenzaimpfung hat demnach auch bei gesunden und relativ jungen Studienteilnehmern einen wesentlich geringeren krankheitsvermeidenden Effekt als gemeinhin angenommen wird. Frühere Studien (s.o.), die sich im Sinne der Evidence based Medicine (EbM) ebenfalls kritisch mit dem Nutzen der Influenzaimpfung auseinandergesetzt hatten, kamen bereits zu ähnlichen Ergebnissen, wurden jedoch z.T. wegen methodischer Schwächen kritisiert.
Die Untersuchung von Osterholm und Kollegen zeigt, dass selbst unter Anwendung sehr strenger Kriterien bei der Auswahl der analysierten Studien, Schutzraten über 80%, wie sie bei gut wirksamen Impfstoffen zu erwarten wären, mehrheitlich nicht erzielt werden können. Die Gesamtlast an Influenzaerkrankungen in der Bevölkerung könnte zwar durch den breiten Einsatz der Impfung deutlich reduziert werden, der Nutzen der Impfung für den Einzelnen ist jedoch fraglich. Darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass die Influenzaimpfung bei denjenigen, die am meisten von ihr profitieren könnten, z.B. bei Älteren und chronisch Kranken, einen noch geringeren Schutz bietet als bei jungen Gesunden. Osterholm und Kollegen argumentieren im Sinne von "besser wenig Schutz als gar keiner". Eine weitere Schlussfolgerung, die man aus den Ergebnissen Osterholms ziehen könnte, wäre, dass dem Aufklärungsgespräch mit Abwägung von Nutzen und Risiko einer Influenzaimpfung eine noch größere Bedeutung beigemessen werden sollte. Dies könnte beispielsweise in Verbindung mit Hinweisen zu allgemeinen Maßnahmen mit denen sich das Risiko für Atemwegsinfektionen verringern ließe geschehen (Atemschulung, Raucherentwöhnung etc.).
Influenzaimpfstoff-Nebenwirkungen
Nach Angaben der Hersteller (Bsp. Influsplit ®, GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG) sind unerwünschte Ereignisse, beobachtet in klinischen Prüfungen:
- Die Sicherheit trivalenter inaktiver Influenza-Impfstoffe wird anhand der Daten aus offenen, nicht kontrollierten Studien beurteilt, die jährlich nach der Änderung der Stammzusammensetzung des Impfstoffes durchgeführt werden, und an denen mindestens 50 Erwachsene im Alter zwischen 18-60 Jahren und mindestens 50 Personen im Alter von 61 Jahren und älter, teilnehmen. Dabei werden Reaktogenität und Sicherheit während der ersten 3 Tage nach der Impfung beobachtet.
Die folgenden unerwünschten Ereignisse wurden in klinischen Studien mit folgenden Häufigkeiten beobachtet:
- sehr häufig (≥1/10); Häufig (≥ 1/100, < 1/10); Gelegentlich (≥ 1/1.000, < 1/100); Selten (≥ 1/10.000, < 1/1.000); Sehr selten (< 1/10.000), vereinzelte Meldungen einschließend.
- Für alle abgefragten, unerwünschten Ereignisse in klinischen Studien ergab sich die Zuordnung in die Kategorie Häufig (≥ 1/100, < 1/10). Dazu gehören im Einzelnen:
- Störungen des Nervensystems: Kopfschmerzen
- Haut- und subkutane Gewebestörungen: Schweißausbruch
- Skelettmuskel- und Bindegewebsstörungen: Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen
- Allgemeine Reaktionen: Fieber, Übelkeit, Schüttelfrost, Erschöpfung
- lokale Reaktionen an der Injektionsstelle: Rötung, Schwellung, Schmerz, Hautblutung, Verhärtung
Diese Reaktionen klingen in der Regel innerhalb von 1 -2 Tagen ohne Behandlung ab.
Unerwünschte Ereignisse, berichtet nach breiter Anwendung:
- Störungen des Blut- und Lymphsystems: Vorübergehende Thrombozytopenie, vorübergehende Lymphadenopathie
- Störungen des Immunsystems:Allergische Reaktionen, die in seltenen Fällen zum Schock, Angioödem führen
- Störungen des Nervensystems: Neuralgie, Parästhesie, Fieberkrämpfe, neurologische Störungen wie z. B. Enzephalomyelitis, Neuritis und Guillain-Barre-Syndrom
- Gefäßstörungen: Vaskulitits, in seltenen Fällen verbunden mit vorübergehender Beeinträchtigung der Niere
- Haut- und subkutane Gewebsstörungen: Generalisierte Hautreaktionen, einschließlich Pruritus, Urtikaria oder unspezifischer Hautausschlag
Das Risiko für
Guillan Barré Syndrom (GBS) ist nach Immunstimmulation erhöht. Das kann bei der Influenzainfektion zutreffen (selten) und ist auch bei der Impfung nicht ausgeschlossen. Wenn es vorhanden wäre, dann wäre es sehr klein.
Influenzaimpfstoffe
Grippeimpfstoffe enthalten üblicherweise Virusantigen zweier Stämme des Typs A sowie eines Stammes des Typs B. Die Impfstoffzusammensetzung wird jährlich geändert, da die Schutzwirkung nach Impfung maximal 6-12 Monate beträgt und sich nur auf die aktuell zirkulierenden Stämme beziehen kann. Die Virusstämme für die Impfung werden getrennt in befruchteten Hühnereiern gezüchtet.
Für Deutschland für die Saison 2012/2013 zugelassene Impfstoffe (Paul Ehrlich Institut)Spaltimpfstoff, enthält aufgespaltene Viruspartikel.
- Die antigenen Eigenschaften von Hämagglutinin und Neuraminidase bleiben erhalten. Spaltimpfstoffe sind z.Z. frei von quecksilberhaltigen Konservierungsmittel Thiomersal.
- Beispiel: Afluria® u.a.
Impfstoffe mit Adjuvans
- Beispiel: Fluad ® (MF59, Squalen)
- Der Einsatz von Adjuvantien soll bei Personen über 65 J. die Immunantwort stimmunlieren. Klinische Belege für höheren Schutz fehlen
- Durch Impfung erzielte Antikörperkonzentrationen liegen bei Älteren und Immunsupprimierten oft niedriger als bei jungen gesunden Personen (Targonski 2007).
Virusuntereinheiten Impfstoffe
- Sie enthalten gereinigte Antigene (Hämagglutinin und Neuraminidase), die in „Lipidkügelchen“ (Virosomen) eingebaut werden. Hierdurch wird ein ähnlicher Effekt wie bei Ganzvirusimpfstoffen (heute nur noch wenig verwendet) bei besserer Verträglichkeit erzielt.
- Studien zeigten eine vergleichbare Immunogenität bei graduell geringer ausgeprägter Reaktogenität (de Bruijn 2005, de Bruijn 2006).
- Beispiel: Influvac ® u.a.
Auf Verozellen angezüchtete, hühnereiweißfreie Influenzaimpfstoffe
- Beispiel: Preflucel®, (Optaflu ® ist in Dtschl. nicht im Handel)
- Anstelle einer Züchtung in Hühnereiern erfolgt die Anzucht der Viren in einer Zellkultur. Geeignet für Personen mit ausgeprägter Hühnereiweißallergie.
Impfstoffe für die intradermale Applikation
Kosten für innovativere Impfstoffe liegen höher als für die klassischen Spaltimpfstoffe. Es ist fraglich, ob der Vorteil der Innovativeren genügend belegt ist oder sie eher als Me-Too Präparate nur Marketingvorteile besitzen. Ob mit der Anwendung der moderneren Impfstoffe ein messbarer klinischer Nutzen erzielt werden kann, müssen zukünftige Studien erst klären. Für die Durchführung derartiger Studien werden jedoch in der Regel weder von staatlicher Seite noch von Seiten der Impfstoffhersteller Gelder zur Verfügung gestellt!
Besonderheiten für Reisende
Während die Grippewellen in Europa und anderen Zonen mit gemäßigtem Klima auf der Nord- und Südhalbkugel überwiegend in den Wintermonaten auftreten, zirkulieren die Influenzaviren in tropischen Gebieten mit hoher Luftfeuchtigkeit ganzjährig. In den gemäßigten Breiten der Südhalbkugel findet sich die Grippesaison zeitversetzt zwischen April und September.
Unter bestimmten Umständen besteht für Reisende ein erhöhtes Risiko, zum Beispiel bei Gruppenreisen, in Bussen oder auf Kreuzfahrtschiffen. In Flugzeugen wird Verbreitung von Erregern durch Filterung und Reinigung der Kabinenluft minimiert.
Weitere Informationen
HEF, 08.10.2018