Reiseinformationen - Verhalten: Gewalt
Umgang mit direkter Gewalt und Sicherheitshinweise
Körperliche Bedrohungsereignisse sind überall möglich, auch in Deutschland, und deshalb auch hier ein immer wieder aufgegriffenes Wahlkampfthema mit durchaus realem Hintergrund. Auf Reisen kann das Risiko für Gewaltereignisse steigen, wenn z.B. über Unruhen nach manipulierten Wahlen in einem Reiseland berichtet wird. Glücklicherweise können Gefahrensituationen durch umsichtiges Verhalten meist vermieden werden. Auch bei Eskalationen unerwartet auftretender Gewalt ist es durch geschicktes Handeln fast immer möglich, die Situation so zu beeinflussen, dass der Schaden relativ gering bleibt.
Wann können Risiken für Gewaltereignisse in Zielländern erhöht sein?
- Berichte über allgemein hohe Kriminalitätsrate, insbesondere in bestimmten Stadtteilen oder Landesregionen
- Starkes soziales Gefälle mit Bevölkerungsgruppen, die unterhalb der Armutsgrenze leben
- Bürgerkriegs- und Terrorereignisse in der Reiseregion, auch wenn der Zielort außerhalb direkter Gefährdungszonen liegt
- Kulturelle und religiöse Konflikte, die sich auf ggf. umstrittene touristische Unternehmungen auswirken.
Wann werden Menschen besonders leicht Opfer von Verbrechen?
- Wenn Erscheinung oder Körpersprache Verwundbarkeit oder leichte Beute signalisieren,
- Reichtum sehr offen nach außen dargestellt wird,
- das Verhalten unaufmerksam, zerstreut, gedankenlos ist,
- die eigene Kritikfähigkeit durch Alkohol oder anderes getrübt ist,
- die eigene Fremdheit in der neuen Kultur sehr deutlich zu erkennen gegeben wird und dort ggf. zum lokalen Feindbild gehört,
- das eigene Verhalten ungewollt wenig kultur- und situationsangepasst ist.
Kann ein sicherer Umgang mit Gewalt trainiert werden?
- Ja, aber nicht durch die Perfektion in agressiven Kampfsportarten. Selbst ein hochtrainierter Judolehrer wird einem Angreifer, der durch Jahrzehnte Straßenkampf in einem Ghetto geprägt wurde, an Kraft, Brutalität und Schnelligkeit unterlegen sein. Der mögliche Vorteil eines Angegriffenen liegt in einem ganz anderen Bereich: seiner Intelligenz und der Fähigkeit Ruhe zu bewahren. Das hört sich paradox oder etwas abgehoben an: zu Angriff passt doch „Flucht und Kampf“ - aber Ruhe?
- Ein Blick auf die Evolution der Tiere zeigt warum das so ist. Säugetieren stehen in der Begegnung mit anderen Lebewesen im Prinzip drei Reaktionsmuster zur Verfügung, die durch unseren Hirnstamm vermittelt werden:
- Kommunikation in Sicherheit: Beruhigende innere Körperreaktion und Mimik
- Aktivierung bei Gefahr: Kampf, Flucht, aktive Panikreaktion
- Erstarren, Aufgeben, ohnmächtig werden.
Die letzten beiden, äußerst effektiven Reaktionsprogramme sind auch bei den erdgeschichtlich älteren Reptilien vorhanden. Kein Säugetier kann so schnell zubeißen wie eine Schlange oder ein Krokodil, aber diese in der Evolution relativ jüngeren Tiere haben durch größere Gehirnstrukturen die Fähigkeit erworben, Automatismen in der Begegnung mit anderen Lebewesen zu unterdrücken und so besser geeignete Möglichkeiten und Lösungen finden: Reptilien haben sich deshalb gegenüber den Säugetieren in der Evolution als nicht besonders fit erwiesen. Beim Menschen ist die Fähigkeit, des klugen, abgewogenen Handelns perfektioniert, auch wenn viele von uns in Alltagskonflikten leicht schnell auf das alte Reptilienniveau zurückfallen.
Was also tatsächlich durch geeignete Kurse gut trainiert werden kann, ist die Fähigkeit, in gefährlichen Situationen ruhig und kontrolliert zu bleiben und die Übersicht zu behalten. Das eröffnet dann ggf. die Möglichkeit Situationen zu deeskalieren, indem der Angreifer, der von Aggression- und Angstmustern geprägt ist, beruhigt wird, sich sicherer wähnt und sich für Kommunikation öffnen lässt.
Bildquelle: Jäger
Welche Verhaltensweisen können Konflikte deeskalieren?
- Aufmerksamkeit und Selbstwertgefühl ausstrahlen
- Aufrechte, entspannte, stabile, elastische Körperhaltung
- Ruhige gleichmäßige Atmung
- Ruhiger Blick, ohne ein Gegenüber in dessen Augen zu fixieren
- Freundlicher, bewegter Gesichtsausdruck
- Mit dem Angreifer in normaler Tonlage reden - keinesfalls schreien oder flüstern
- Durch Mimik und Sprache Kontakt herstellen und ihn geringfügig lenken („Können Sie nicht...“)
- Zugewandt stehen oder sich nur langsam bewegen
- Nicht in das sogenannte „Magnetfeld“, den Machbereich des Angreifers, gehen („Komm doch mal her!“ Nein!)
Welche Antworten passen zu den Strategien der Täter?
- Täter versuchen, den Selbstwert zu brechen
- Auf keinen Fall den eigenen Wert in Frage stellen!
- Täter versuchen zu isolieren
- Hilfe suchen, Umstehende ansehen, rufen
- Täter versuchen zu erniedrigen
- Aufrechte Haltung bewahren
- Niemals zu Boden gehen, bzw. nach Sturz sofort wieder aufstehen (niemals „Toter Mann spielen!“)
- Täter wollen Bewegung einschränken
- Versuchen, den Raum der Bewegung zu erweitern
- Täter versuchen, sprachlos Angst zu vermitteln
- Freundlich, bestimmt reden
- Täter streben Willenlosigkeit an
- Klar und deutlich „Nein!“-Sagen und dabei bleiben.
- Verhandelbar ist Besitz, aber nie körperliche Integrität
- Machen Sie sich keine Gedanken um Ihre Ausrüstung - sie ist ersetzbar
- Täter streben ein Gefühl des Ausgeliefert-Seins an
- Zuerst sich selbst überzeugen: „Du bist stark und schaffst es!“
- Täter erzeugen Angst:
- Nicht einschüchtern lassen
- Der Täter selbst hat Angst: „Ein kleiner Hund macht aus Angst Angst“.
Welches Verhalten ist sinnvoll bei erhöhten Risiken ohne direkte Bedrohung? (Beispiel: unbekannte, nicht einschätzbare, möglicherweise riskante Umgebung)
- Aufmerksamkeit für das, was um Sie herum vorgeht (peripheres Sehen und Hören), Voraussicht, Risikovermeidung, am besten durch gute Vorbereitung und Verständnis für die Situation
- Eigene körperliche Reaktion („flauer Magen“) wahr- und ernstnehmen
- Keine Wertgegenstände (Spiegelreflex, Luxus-Handtasche) deutlich präsentieren
- Sich Zeit lassen, Aktions- und Handlungsradius begrenzen
- Orientierung: nützliche Orte und Ziele auf der Straßenkarte notieren
- Kleiden und verhalten Sie sich unauffällig, kultur- und situationsangepasst, nverdächtig und diskret
- Negatives Beispiel: „knappe Badekleidung am öffentlichen Strand eines islamischen Landes“
- Fotokopien der Reisedokumente mit sich führen
- Orginale im Hotelsafe
- Eingescannte Reisedokumente können auch als Dateianhang einer E-Mail an die eigene Mail-Box gesandt werden und dort bei Verlust heruntergeladen werden
- Bargeld oder Kreditkarten nur in nötigem Umfang
- Tabu-Zonen der Stadt kennen und vermeiden und sich ggf. an Ausgangssperren halten
- Nachts nicht alleine ausgehen
- Keine Personen ohne ausdrückliche Genehmigung fotographieren (auch das Fotographieren von Gebäuden oder scheinbar harmloser Landschaft kann Probleme bereiten, wenn dies Konfliktparteien als Sicherheitsrisiko für sich einschätzen).
Welches Verhalten ist sinnvoll bei Eskalation oder drohender Gewalt? (Beispiel: unruhige Demonstrationen, Schlägereien, deutlich wahrnehmbarer Anstieg des Aggressionspotentials im Umfeld)
- Tagespresse lesen, um über aktuelle Probleme, Versammlungen, Streiks, Massenereignisse informiert zu sein und diese ggf. meiden zu können
- Ruhig bleiben (bewusst ruhig und tief atmen), nicht panisch reagieren, nicht mit der Masse mitlaufen oder fliehen
- Sich nach einem sicheren „Exit“ umsehen, aus dem Weg gehen
- Viele Möglichkeiten des Auswegs bedenken, sich nicht zu früh auf eine Variation festlegen, da die Situation sich schlagartig verändern kann.
Was tun in Bürgerkriegssituationen? (Beispiel: geschäftlich unterwegs im Irak)
- Sich durch ein professionelles Deeskalationstraining vorbereiten
- Sich vorher detailliert über alle möglichen Gefahrensituationen informieren
- sich bei der Botschaft vor Ort nach notwendigen Verhaltensweisen erkundigen und sich strikt daran halten (insb. bei Auftreten in der Öffentlichkeit)
- ggf. Schutz professioneller (empfohlener!) Sicherheitsunternehmen suchen, aber niemals selbst Waffen bei sich führen
- Autofahrten nur mit einem Fahrer und Ausgehen möglichst nicht allein
- GPS-Systeme nutzen, sofern eines zur Verfügung steht und Funkkontakt zu Kollegen sicherstellen
- Gegenstände oder tote Tiere auf der Straße liegen lassen und vorbeifahren
- Keine herumliegenden/stehen gelassenen Gepäckstücke aufheben
- Keine kreativen, wenig benutzte Abkürzungen fahren
- Wissen, dass Überlandfahrten problematisch werden, wenn sich die Sicherheitslage verschlechtert und sich entsprechend vorbereiten.
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RMZ, 19.09.2018