Fachinformationen - Chlamydien
Chlamydien
Erreger:
Kleine, obligat intrazelluläre Bakterien, die eine den gramnegativen Bakterien ähnliche Zellmembran besitzen und DNA und RNA-enthalten. Infektiös ist nur das 300-400 nm große, gegen Umwelteinflüsse sehr resistente Elementarkörperchen. Die metabolisch aktive Form besteht aus dem intrazellulär gelegenen Retikularkörperchen (800-1.000 nm). Primär menschenpathogene Formen:
- Chlamydia pneumoniae (Lungenentzündung)
- Chlamydia psittaci (Ornithose, Papageienkrankheit, Lungenentzündung)
- Chlamydia trachomatis (Serotypen A-C) (Trachom u.a.)
- Chlamydia trachomatis (Serotypen L1, L2, L3): Lymphogranuloma inguinale
- Chlamydia trachomatis (Serotypen B, D-K) (Konjunktivitis, Urethritis, Zervizitis, Proktitis u.a.)
Chlamydien befallen sezernierende, zilienbesetzte, kubische Drüsenzellen des Respirations- und Urogenitaltraktes und Konjunktivalzellen. Irreversible Schäden entstehen weniger durch direkte Zellzerstörung durch Chlamydien, sondern durch überschießende Immunreaktionen und den anschließenden narbigen Ersatz zerstörten Gewebes.
Verbreitung:
Weltweit mehr als 500 Millionen infizierte Personen, über 6 Millionen erblinden nach Trachominfektion. In den USA wird die Zahl der mit Chlamydien infizierten Personen auf 3,5 Millionen geschätzt. In Deutschland sind durchschnittlich 13% der jungen Frauen befallen, bis zu 80% der Infizierten sind symptomfrei. Schätzungen zufolge bleiben allein in der Bundesrepublik 100.000 Frauen aufgrund von Chlamydieninfektionen ungewollt kinderlos.
Infektionsweg:
Sexuell, Schmierinfektion, Tröpfcheninfektion
Inkubationszeit:
6-8 Stunden nach der Primärinfektion mit Elementar- werden die Retikularkörperchen gebildet. Aus diesen Retikularkörperchen entstehen nach 24 Stunden neue Elementarkörperchen, die nach 48-72 Stunden aus der zerstörten Zelle entweichen. Klinische Symptome entwickeln sich 1-4 Wochen nach der Infektion.
Symptomatik:
- Trachom: Vorkommen bei Bevölkerungsgruppen mit engen Wohn- und Lebensverhältnissen, schlechten Hygienestandards und niedrigem Bildungsniveau. Trachom ist eine typische Krankheit der Armut. Übertragen werden die Chlamydien von infizierten Konjunktiven über Hände (Schmierinfektion) oder Fliegen. Eine nicht behandelte, akut verlaufende Konjunktivitis (ggf. mit bakterieller Superinfektion) führt zur Zerstörung der Augenlidstruktur (Trichiasis, Entropium), wobei Wimpern sich nach innen krümmen und mechanische Corneaverletzungen bewirken, die ggf. zur Erblindung führen.
- Urethritis, Salpingitis, Endometritis: Entzündung des kleinen Beckens, selten Perihepatitis bei Frauen. Die Zerstörung des Ziliargewebes führt ggf. zum Verlust der Transportfähigkeit der Tuben, und damit zu Infertilität oder bei nicht vollständigem Verschluss zu Extrauteringravidität. Gegenüber der Gonorrhoe ist die Erstsymptomatik geringer, die folgende Gewebezerstörung aber wesentlich stärker ausgeprägt. Bei Infektion des Genitaltraktes können Chlamydien während der Geburt übertragen werden. Es entstehen dann Neugeborenen-Konjunktivitis (ähnlich Gonorrhoe) oder Pneumonie mit hoher Letalität.
- Urethritis, Epididymitis bei Männern und Proktitis bei Anal-Sex: Krankheitsbeginn meist in sehr milder Form. Wird eine Gonorrhoe mit hochdosierter Single-Shot-Antibiotikagabe eliminiert, entwickelt sich eine gleichzeitig übertragene Chlamydieninfektion 2-10 Tage später.
- Lymphogranuloma inguinale: Sexuell übertragbare Erkrankung, die bis vor kurzem nahezu ausschließlich in den Tropen verbreitet war, jetzt aber auch in Europa häufiger gemeldet wird. Nach einer Inkubation von 1-4 Wochen erscheint eine schmerzlose Primärläsion in der Genitalregion begleitet von leichtem Fieber und ggf. Myalgie. Die Läsion heilt rasch ab. In zeitlich unterschiedlichem Abstand entwickelt sich eine schmerzhafte Lymphknotenschwellung, die ulzerieren kann. Unbehandelt kommt es zu Geschwüren, Fisteln, Lymphstau und ggf. genitaler Elephantiasis.
- Pneumonie: Häufige Ursache von Bronchitis, Sinusitis und Pneumonie (Schätzung der Inzidenz 300.000 / Jahr weltweit, etwa 60% aller Erwachsen besitzen Antikörper). Die meisten Infektionen verlaufen mild. Es wird diskutiert, ob Chlamydia trachomatis eine Rolle bei der Entstehung der Arteriosklerose spielen könnte. Chlamydien wurden in arteriosklerotisch verengten Herzkranzgefäßen nachgewiesen und im Tierversuch festgestellt, dass Infektionen mit C. pneumoniae eine Arteriosklerose beschleunigen und Antibiotika diesen Prozess aufhalten können.
- Ornithose, Papageienkrankheit: Wirte sind nicht nur Vögel, sondern ggf. auch zahlreiche Haustiere. Meist erfolgt die Infektion von Menschen durch das Einatmen von getrocknetem Vogelkot. Beginn der Symptome nach 7-15 Tagen: Kopfschmerzen, Fieber, Arthralgien u.a. und (radiologisch atypische) Pneumonie. Zentralnervöse Manifestation (selten Enzephalitis), Hepatosplenomegalie, Pankreatitis, unbehandelt häufig letal verlaufend.
- Reiter-Syndom: Urethritis, Konjunktivitis, charakteristische Hautveränderungen (Balanitis circinata u.a.) und Polyarthritis ausschließlich bei Männern (90% besitzen Gewebeantigen HLA-B27).
Diagnostik:
- Abstrich (nach Entfernung von Schleimauflagerungen des Epithels)
- Direkter Nachweis der Elementarkörperchen mit monoklonalen Antikörpern durch Fluoreszenz (Antikörper konjugiert mit Fluorescin Isothiozyanat)
- Zytologie Giemsa-Färbung, Nachweis von Einschlusskörperchen, unspezifisch
- Zellkultur und Antigen-Nachweis. Sehr spezifisch. Sensitivität 70-85%
- Serologie. CFT, MIF, ELISA, RIA. Positives IgG beweist keinen Zusammenhang zwischen Symptomen und Chlamydieninfektion, da von einer hohen Prävalenz in der Bevölkerung ausgegangen wird. Aussagekräftiger ist eine vierfach erhöhte IgG-Konzentration und ein IgM-Nachweis, der allerdings selten gelingt: kurzzeitiges Auftreten und Fehlen bei rekurrenter Infektion.
Differentialdiagnose:
Neisseria gonorrhoea, Mykoplasmen, respiratorische Viren, Legionellen.
Therapie:
(2x100mg) Doxycyclin, (4x500mg) Erythromyzin über 2-3 Wochen oder Azitromyzin über 5 Tage. Rezidive sind nicht selten. Morbus Reiter: Tetrazykline und gleichzeitige Gabe von Cortikosteroiden.
Prophylaxe:
Hygienemaßnahmen, Safer Sex, Information (rechtzeitige Behandlung bei geringen Symptomen), Mikrobiozide (z.B. bei Kondombeschichtung)
Immunität:
Keine, nach durchgemachter Infektion. Neuinfektion jederzeit möglich.
Gesetzliche Regelungen:
Nach §7, Abs.1 IfSG besteht Meldepflicht für den direkten oder indirekten Erregernachweis bei Chlamydia psittaci und für eine Trachomerkrankung. Nach §12, Abs.1 IfSG besteht Meldepflicht an die zuständige oberste Landesgesundheitsbehörde und an das RKI.
Weiterführende Informationen
- zu Chlamydien-Screeninguntersuchungen
Low N. Screening programmes for chlamydial infection: when will we ever learn? BMJ 2007; 334: 725-8.
- zur Prävalenz bei jungen Frauen
Niccolai LM, Hochberg AL, Ethier KA, et. al. Burden of recurrent Chlamydia trachomatis infections in young women: further uncovering the "hidden epidemic". Arch Pediatr Adolesc Med 2007; 161: 246-51.
MG, 21.06.2018