Fachinformationen - Mittelmeerfieber (Details)


Mittelmeerfieber

Genetisch bedingte Fiebersyndrome: Klinik, Genetik, Diagnose und Therapie
Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 48 vom 26.11.2004, Seite A-3262 / B-2764 / C-2619
Christian Timmann, Johannes Schumacher, Peter Lamprecht, Hinrich Sudeck, Rolf Horstmann

Bildquelle: Till Bartels


Zusammenfassung
Die Ätiologie eines rekurrierenden Fiebers ist oftmals schwer zu klären. Ursache können eine Reihe von Tumoren, Infektionen oder systemisch-entzündliche Erkrankungen sein. Zudem gibt es erbliche Formen, wie das familiäre Mittelmeerfieber (FMF), das in Deutschland überwiegend bei Immigranten festgestellt wird, sowie das Hyper-IgD-Syndrom (HIDS) und das Tumornekrosefaktor-Rezeptor-assoziierte periodische Syndrom (TRAPS), die auch bei Nord- und Zentraleuropäern vorkommen. Lange Zeit waren diese erblichen Syndrome im Wesentlichen Ausschlussdiagnosen und standen am Ende einer Reihe mehr oder weniger invasiver Untersuchungen. In den vergangenen Jahren wurden die genetischen Grundlagen weitgehend aufgeklärt und diagnostische Nachweismethoden entwickelt. Seit 1998 wurden im Bernhard-Nocht-Institut in 38 Prozent von mehr als 1 000 klinischen FMF-Verdachtsfällen molekulargenetisch positive Befunde erhoben. Erste Erfahrungen mit HIDS und TRAPS ergaben einen unerwartet hohen Anteil von zwölf beziehungsweise 13 Prozent positiver Testergebnisse.

Einführung
Episoden von rekurrierendem Fieber können Stunden bis zu Wochen andauern und sind von symptomfreien Intervallen variabler Dauer unterbrochen. In der Regel können sie hervorgerufen werden durch Neoplasien (wie zum Beispiel Lymphome oder Karzinome), durch Infektionen wie beispielsweise virale Atemwegsinfektionen, Tuberkulose, Herpesvirus-Infektionen, Malaria oder durch nichtinfektiöse entzündliche Erkrankungen (unter anderem durch das periodische Fieber, Adenitis, Pharyngitis und aphthöse Stomatitis (PFAPA-) Syndrom, die juvenile rheumatoide Arthritis, das Still-Syndrom, Morbus Behçet, durch systemischen Lupus erythematodes oder chronisch entzündliche Darmerkrankungen).
Sollten Fieberepisoden über einen Zeitraum von mehreren Jahren rekurrieren, spricht dies eher für eine nichtinfektiöse entzündliche Erkrankung. In diesen Fällen kann auch ein genetisch bedingtes periodisches Fiebersyndrom („hereditary periodic fever syndrome“) Krankheitsursache sein (23).

Bildquelle: Werner Schönherr


Definition und Abgrenzung periodischer Fiebersyndrome
Insbesondere können die ethnische Zugehörigkeit des Erkrankten, bestimmte einzelne Begleitsymptome, eine entsprechende Familienanamnese oder das Alter bei Erstmanifestation auf ein genetisch bedingtes Fiebersyndrom hinweisen. Im Folgenden wird das familiäre Mittelmeerfieber (FMF) vorgestellt, das in Deutschland unter den erblich bedingten Fiebersyndromen häufiger vorkommt, sowie zwei seltenere Syndrome, das Hyper-IgD-Syndrom (HIDS) und das Tumornekrosefaktor-Rezeptor-assoziierte periodische Syndrom (TRAPS).

Nicht berücksichtigt werden die zyklische Neutropenie (CN) und die „cold-induced autoinflammatory syndrome 1“- (CIAS1-)Gen-assozierten Syndrome wie familiäre Kälteurtikaria (FCU), Muckle-Wells-Syndrom (MWS) und „chronic infantile neurological cutaneous and articular syndrome“ (CINCA). Diese Syndrome können ebenfalls mit rezidivierendem Fieber einhergehen, unterscheiden sich jedoch aufgrund auffälliger Leitsymptome von den hereditären Fiebersyndromen. So tritt bei CN im Rhythmus von drei Wochen eine schwere Neutropenie ein, und CAS-1-Syndrome gehen mit Urtikaria (FCU, MWS) beziehungsweise neurologischen Ausfällen einher (MWS, CINCA).

Familiäres Mittelmeerfieber
Klinisches Bild

FMF ist durch rezidivierende Fieberschübe mit begleitender Polyserositis und dem Risiko der Entwicklung einer Amyloidose charakterisiert (7, 10, 38, 77, 79).

Die Fieberschübe treten meist spontan ohne erkennbare Ursache auf, einige Patienten berichten allerdings über auslösende Faktoren, wie beispielsweise Infektionen, Stress, Menstruation oder körperlicher Belastung. In 90 Prozent der Fälle liegt das Alter bei Erstmanifestation vor dem zwanzigsten Lebensjahr (10, 79). Die Fieberschübe dauern in der Regel sechs Stunden bis drei Tage und werden meist von schmerzhaften Symptomen einer Serositis begleitet. Diese manifestiert sich als Peritonitis, wie beispielsweise einem akuten Abdomen (95 Prozent der Fälle), als asymmetrische Monoarthritis der großen Gelenke mit oder ohne Erguss (45 bis 75 Prozent der Fälle) oder als einseitige Pleuritis (30 Prozent der Fälle). Seltener findet sich eine Sakroiliitis, Polyarthritiden kleiner Gelenke, Perikarditis, Myalgien oder eine Beteiligung des Skrotums (7, 28, 47, 79)


Weiterhin kann eine erysipelähnliche Hauteffloreszenz auftreten, die meistens an Unterschenkeln oder Fußrücken lokalisiert ist (56). Oft lässt sich auch im Intervall sonographisch eine leichte Vergrößerung von Leber und Milz nachweisen. Die Amyloidose betrifft meist die Nieren und kann unbehandelt über ein nephrotisches Syndrom zur Urämie führen. Amyloidablagerungen mit Funktionsstörungen werden auch kardial, gastrointestinal, in Schilddrüse, Milz oder Hoden gefunden (10). Es wurde auch von einem klinischen Phänotyp 2 berichtet, bei dem sich eine Amyloidose ohne Fieberepisoden entwickelt (79).

Bildquelle: Werner Schönherr

Laborbefunde
Bei FMF-Patienten werden im Krankheitsschub unspezifische Entzündungszeichen gefunden. Eine Leukozytose mit Neutrophilie wird von einem Anstieg der Akute-Phase-Proteine wie beispielsweise des C-reaktiven Proteins (CRP) und des Serumamyloid A (SAA) begleitet. Ein nephrotisches Syndrom mit Proteinurie von mehr als 0,5 g pro Tag oder ein Anstieg renaler Retentionswerte spricht für eine schwere Nierenfunktionsstörung, verursacht durch eine fortgeschrittene Amyloidose. Im Frühstadium einer Nierenamyloidose ist oftmals nur eine Mikroalbuminurie von mehr als 20 mg/L auffällig. Die Diagnose kann in Abhängigkeit von den betroffenen Organen durch Biopsie mit Nachweis des Amyloids in der Kongorot-Färbung bestätigt werden. Eine Nierenbiopsie sollte allerdings wegen der Gefahr einer Nachblutung vermieden werden.

Therapie
Seit 1972 steht mit Colchizin eine wirksame Therapie zur Verfügung (34). Seine Wirksamkeit und Sicherheit wurden in unabhängigen Studien belegt (17, 35, 93, 95). Die Colchizintherapie muss kontinuierlich und lebenslang zur Anfallsprophylaxe und zur Verhinderung der Amyloidose durchgeführt werden. Vor diesem Hintergrund wird meist empfohlen, die Colchizintherapie bei Frauen und Männern auch bei einem Kinderwunsch fortzusetzen, bei Frauen darüber hinaus in der Gravidität und während der Laktation (7, 11, 68, 95). Teratogene Schädigungen wurden untersucht, aber bislang nicht beobachtet (12). Allerdings wurden kürzlich in einer Gruppe von 444 behandelten Schwangeren zwei Fälle von kindlicher Aneuploidie (eine Trisomie 21, ein Klinefelter-Syndrom) beobachtet, sodass eine Empfehlung zur Amniozentese bei Colchizintherapie der Mutter oder des Vaters diskutiert wurde (7, 8).

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Aufgrund der unsicheren Evidenz für ein Behandlungsrisiko, der Risiken einer Amniozentese und zunehmender Sensitivität von Ultraschalluntersuchungen scheint aber eine sorgfältige Ultraschalluntersuchung des Fetus (unter anderem Erst-Trimester-Screening) durch einen ausgewiesenen Untersucher gegebenenfalls sinnvoller. Komplette oder partielle Remissionen der Anfälle werden bei 65 Prozent beziehungsweise 30 Prozent der Patienten erreicht, nur fünf Prozent sprechen nicht an (95). Inwieweit mangelnde Therapieerfolge durch unregelmäßige Medikamenteneinnahme bedingt sind, ist ungeklärt. Bei partiellem Ansprechen auf die Therapie verlaufen die Anfälle meist kürzer und milder, und es scheint trotzdem ein guter Schutz vor Amyloidose zu bestehen (55). Da ein Therapiebeginn während eines Anfalls diesen nur abschwächen und abkürzen kann, sollten eventuell nichtsteroidale Antiphlogistika wie Diclofenac eingesetzt werden. Unter einer Colchizintherapie kann sich eine beginnende Proteinurie wieder bessern, die eingetretene Amyloidose bleibt aber unbeeinflusst (55, 94). Die Colchizindosis muss klinisch und individuell nach Ansprechen und Auftreten von unerwünschten Wirkungen über Monate ermittelt werden. Als Einstiegsdosis bei Erwachsenen gilt 1 mg Colchizin pro Tag, bei Kindern 0,5 bis 1,0 mg (7). Die bei Erwachsenen langfristig benötigte Dosis liegt zwischen 0,5 mg und 2 mg, in der Regel bei 1 mg pro Tag (7). In der Schwangerschaft sollte die Colchizindosis möglichst auf 0,5 mg bis 1 mg täglich gesenkt werden (7). Da die Elimination von Colchizin sowohl renal als auch hepatisch verläuft (52), sollten diese Organfunktionen kontrolliert werden.

An unerwünschten Medikamentenwirkungen, die zu einer Dosisreduktion oder Therapiepause zwingen, treten am häufigsten gastrointestinale Symptome, wie zum Beispiel Durchfall, abdominaler Schmerz, Übelkeit und Erbrechen auf. Seltener werden reversible Zytopenien, Myoneuropathien oder Exantheme beobachtet (48, 52). Eine Alopezie spricht bereits für eine zeitweilige Intoxikation (52). Da die letale Dosis von Colchizin relativ niedrig ist (0,5 bis 1,0 mg pro kg Körpergewicht) und keine spezifische Detoxikationstherapie zur Verfügung steht (33, 80), sollten Patienten und gegebenenfalls deren Eltern auf die Notwendigkeit des sorgfältigen Umgangs mit dem Medikament hingewiesen werden. Bei der Verordnung von Colchizin ist zu beachten, dass die Substanz in Deutschland (noch) nicht für die Indikation FMF zugelassen ist und ein individueller Heilversuch mit den Patienten vereinbart werden sollte.

Prognose
Die Prognose der Patienten wird im Wesentlichen vom Auftreten der Amyloidose bestimmt. Das Risiko beträgt bei unbehandelten Patienten bis zu 60 Prozent innerhalb von vierzig Lebensjahren (30). So wurden terminale Niereninsuffizienzen nach jahrzehntelangem Verlauf, aber auch schon bei Kleinkindern beschrieben (79, 85, eigene Daten). Das chronische Leiden kann psychische Veränderungen verursachen. Patienten ohne Amyloidoseentwicklung haben vermutlich eine normale Lebenserwartung.

Molekulargenetik und Pathogenese
FMF ist eine autosomal rezessiv vererbte Erkrankung. Ein Dispositions-Gen für FMF wurde durch genomweite Kopplungsanalysen auf Chromosom 16 lokalisiert und 1997 identifiziert (67, 83, 84). Das zehn Exons umfassende Gen wurde „Mediterranean Fever Gene“ (MEFV), sein Translationsprodukt, also das Protein, wurde Pyrin beziehungsweise Marenostrin genannt. Inzwischen wurden mehr als 40 mit FMF assoziierte MEFV-Mutationen beschrieben (71, 87). Es handelt sich überwiegend um so genannte Missense-Mutationen, die im Protein zum Austausch eines Aminosäurerests führen. Die Mehrheit der Mutationen findet sich in Exon 10 des Gens. Für einige Varianten, wie beispielsweise für E148Q, ist umstritten, ob sie zur Entstehung der Krankheit beitragen (9, 82). Zudem gibt es auch Sequenzvarianten ohne Bedeutung für FMF, wie zum Beispiel E202Q. Bei homozygotem oder kombiniert heterozygotem Vorliegen der häufigen Mutationen M694V, M694I und M680I wurde über eine hohe Penetranz, schwere Krankheitsverläufe und ein hohes Risiko für Amyloidose berichtet (53, 57, 73, 74, 76). Darüber hinaus geht Genotyp 1 a/a des Serum-Amyloid-assoziierten Proteins (SAA) mit einem deutlich erhöhten Risiko einer Nierenamyloidose unabhängig vom MEFV-Genotyp einher (13). Die Pathogenese des FMF wird derzeit erforscht. Pyrin wird überwiegend in Zellen der myelomonozytären Reihe und insbesondere in neutrophilen Granulozyten exprimiert (14). Es scheint an einem Signalübertragungsweg beteiligt zu sein, der einerseits die Sekretion von Interleukin-1b beeinflusst, andererseits an der Regulation des programmierten Zelltods beteiligt ist (69, 75). Interessanterweise fanden sich Hinweise für direkte Interaktionen mit Proteinen, die an der Pathogenese anderer autoinflammatorischer Erkrankungen wie FCU und MWS beziehungswei-se dem so genannten PAPA-Syndrom (pyrogene sterile Arthritis, Pyoderma gangraenosum und Akne) beteiligt sind (69). Im Einklang mit den bisherigen Vorstellungen zur Pathogenese stehen Berichte über Heilungserfolge bei FMF durch Knochenmarktransplantation (62). Zudem wurde gezeigt, dass die basalen CRP- beziehungsweise SAA-Serumkonzentration bei Patienten im Intervall und bei FMF-Mutationsträgern erhöht sind (27, 66, 89), und dass FMF mit anderen autoinflammatorischen Erkrankungen einhergehen kann (32, 51, 65).

 

 Bildquelle: Till Bartels

Genetische Epidemiologie
FMF betrifft überwiegend Menschen, die aus dem östlichen Mittelmeerraum stammen. Hier finden sich in einigen Bevölkerungsgruppen sehr hohe Frequenzen von Trägern der FMF-Mutationen. So wurde ein Verhältnis von Mutationsträgern zu Nichtbetroffenen von 1 : 5 bis 1 : 16 bei sephardischen Juden, von 1 : 7 bei Armeniern und von 1 : 10 bis 1 : 5 bei Türken beschrieben (16, 70, 92). Auch bei Menschen arabischer und georgischer Herkunft werden MEFV-Mutationen häufiger gefunden. Bei Italienern und Spaniern kommen sie gelegentlich vor, bei Nordeuropäern sind sie relativ selten. Aus der Häufigkeit von MEFV-Mutationen und der Prävalenz von FMF wurde auf eine unvollständige Penetranz geschlossen (88); das heißt, nicht alle Träger der homozygoten oder kombiniert heterozygoten Anlage erkranken auch klinisch. Darüber hinaus lieferten genetische Kopplungsanalysen (4) und Fallstudien (3, eigene Daten) Hinweise für genetische Heterogenität; es gibt also möglicherweise noch weitere, bisher unbekannte Dispositions-Gene.

Diagnostische Strategie

Die Diagnose FMF kann bei Patienten mit entsprechenden Symptomen, Familienanamnese und ethnischer Zugehörigkeit häufig klinisch gestellt werden. Zudem wurden Diagnosekriterien aufgestellt (54), deren Zuverlässigkeit allerdings dadurch eingeschränkt ist, dass sie für eine Population mit hoher FMF-Prävalenz und ohne Berücksichtigung molekulargenetischer Befunde entwickelt wurden. Bei dringendem klinischen Verdacht und in Anbetracht der relativ guten Wirksamkeit und Verträglichkeit von Colchizin kann auch eine mehrmonatige probatorische Therapie erwogen werden. Auch kommt der molekulargenetischen Diagnostik mittlerweile ein hoher Stellenwert zu.

Sie kann in vielen unklaren Fällen, insbesondere bei Kindern und bei Patienten mit atypischer oder unvollständiger Symptomatik die Verdachtsdiagnose bestätigen. Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass in vielen Fällen nicht das gesamte MEFV untersucht werden kann, die zu vermutende genetische Heterogenität bei FMF in einem Teil der Fälle eine genetische Diagnose noch nicht erlaubt und es wegen der inkompletten Penetranz auch Personen mit homozygoten oder kombiniert heterozygoten FMF-Mutationen, aber ohne Krankheitszeichen, gibt.

Hyper-IgD-Syndrom
Klinisches Bild

HIDS wurde 1984 als Krankheitsentität beschrieben, nachdem es zuvor bereits als Ätiocholanolonfieber oder Sonderform des adulten Still-Syndroms bezeichnet worden war (90). Es manifestiert sich meistens in den ersten Lebensjahren mit Fieberschüben, die mit graduellem Rückgang des Fiebers zwischen vier und sieben Tagen andauern und alle vier bis sechs Wochen rezidivieren kann (21). Die Anfälle treten spontan auf, können aber auch durch Stress, Bagatelltraumata, chirurgische Eingriffe und Impfungen ausgelöst werden (23). Das Fieber wird in der Regel von einer zervikalen Lymphadenopathie (94 Prozent der Fälle) sowie von abdominalen Schmerzen mit Durchfall (82 Prozent) und Erbrechen (56 Prozent) begleitet. Darüber hinaus werden häufig Polyarthralgien (80 Prozent) und Arthritiden großer Gelenke (68 Prozent), Kopfschmerzen und meist makulopapulöse Exantheme (80 Prozent) festgestellt, seltener aphthöse Ulzerationen der Mund- oder Genitalschleimhaut (19, 21). Die Symptome an Gelenken und Haut klingen im Vergleich zur Fiebersymptomatik langsamer ab. Bei vielen Patienten sind Leber und Milz vergrößert.

Laborbefunde

Im Krankheitsschub des HIDS finden sich unspezifische Entzündungszeichen mit Leukozytose, CRP- und SAA-Erhöhung. Spezifischer ist eine Erhöhung der Serumkonzentration von Immunglobulin (Ig) D auf mehr als 100 IU pro mL, die in der Regel kontinuierlich besteht. Bei der Mehrzahl der Patienten liegt auch das Serum-IgA über den Normwerten (36, 49). Einschränkend muss erwähnt werden, dass insbesondere bei betroffenen kleineren Kindern auch normale IgD-Werte gefunden wurden (72) und dass auch andere Erkrankungen wie beispielsweise HIV-Infektion, Neoplasien nach Chemotherapie und auch FMF und TRAPS zu IgD-Erhöhungen führen können (6, 23, 39, 63). Die Erhöhung der Urinausscheidung von Neopterin, einem Marker für die Aktivierung der zellulären Immunantwort, kann einen Anhalt über die Krankheitsaktivität geben, wird aber ebenfalls auch bei anderen, insbesondere granulomatösen Erkrankungen gefunden (22). Eine Erhöhung der Mevalonsäureausscheidung im Urin lässt sich nur bei einem Teil der Patienten nachweisen (29).

Therapie

Für HIDS gibt es derzeit keine gesicherte Therapie. Auch die symptomatische Behandlung mit nichtsteroidalen Antiphlogistika ist nur selten wirksam (21). Therapieversuche mit Glucocorticoiden, intravenöser Gabe von Immunglobulinen, Colchizin, Ciclosporin und Thalidomid zeigten in Einzelfällen Erfolge, nicht aber in Patientenkollektiven (21, 24). Eine erste kontrollierte Studie zur Wirksamkeit von Statinen ergab bei fünf von sechs Patienten eine Abnahme der Fieberdauer (78). Eine andere neue Therapieform mit dem TNFa-Antagonisten Etanercept, die auf eine Unterbrechung inflammatorischer Zytokinwirkungen zielt, zeigte gute Wirksamkeit bei einer kleinen Patientenzahl (81). Therapieversuche sollten möglichst im Rahmen kontrollierter Studien erfolgen.

Prognose
HIDS-Patienten haben meist lebenslang Krankheitsepisoden, die allerdings in ihrer Frequenz häufig abnehmen oder auch über Jahre ausbleiben können. Eine Assoziation mit dem Auftreten von Amyloidosen ist bisher nicht beschrieben; die Arthritiden gehen in der Regel nicht mit Destruktionen einher (21).

Molekulargenetik und Pathogenese
Ausgehend von der Beobachtung einer erhöhten Ausscheidung von Mevalonsäure bei Erkrankten wurden Mutationen im Mevalonsäurekinase-Gen (MVK) als Ursache des HIDS identifiziert (20, 43). Das Enzym ist neben der HMG-CoA-Reduktase an der Cholesterinbiosynthese beteiligt. Seine Aktivität ist bei HIDS auf 1 bis 15 Prozent verringert und nimmt in Fieberepisoden weiter ab (42, 43). Die molekulare Pathogenese der Krankheitserscheinungen ist noch unbekannt. Bislang sind mehr als 20 krankheitsverursachende Mutationen beschrieben, die sich auf zehn der elf Exons des MVK-Gens verteilen (71). Am häufigsten ist V377I, sie wurde bei 80 Prozent der Patienten homozygot oder kombiniert heterozygot mit anderen Mutationen festgestellt (15).

Weitere, seltenere Mutationen im MVK-Gen, die eine noch stärkere Verringerung der Enzymaktivität auf weniger als 0,5 Prozent bewirken, können homozygot oder kombiniert heterozygot das schwere Syndrom der Mevalonazidurie (Mevalonatkinasemangel) verursachen (40, 41). Hier zeigen sich neben periodischem Fieber frühe Wachstumsstörungen, zerebelläre Ataxie, Katarakte und retinale Dystrophien (41). Während die Mutationen bei HIDS über das gesamte Protein verteilt sind, liegen die Mutationen bei der Mevalonazidurie überwiegend im carboxyterminalen Anteil der Mevalonatkinase (15, 40).

Genetische Epidemiologie

HIDS wird wie FMF autosomal rezessiv vererbt. HIDS wurde bisher bei Patienten nordeuropäischer Herkunft beschrieben. Die Häufigkeit von Trägern der genetischen Anlage wurde bei Niederländern auf 1 : 65 geschätzt (44).


Diagnostische Strategie
Die Kombination der typischen Symptome während der Fieberepisoden und der mehrfache Nachweis einer Erhöhung von IgD, oft auch von IgA, erlauben häufig eine klinische Diagnose. Diese sollte durch eine molekulargenetische Untersuchung abgesichert werden. Die Bestimmung der Mevalonsäureausscheidung im Urin ist nur zur Abgrenzung gegen Mevalonazidurie geeignet, da sich beim HIDS häufig nur gering erhöhte Werte nachweisen lassen (23).

TumornekrosefaktorRezeptor-assoziiertes periodisches Syndrom
Klinisches Bild

TRAPS wurde ursprünglich als „familial Hibernian fever“ bei einer irischen Familie beschrieben (91). Die Patienten zeigen meist lang andauernde Episoden mit wechselnden fieberhaften Temperaturen (Tage bis einige Wochen), die von lokalisierten Myalgien, einem erythematösen Exanthem und Konjunktivitis mit periorbitalen Ödemen begleitet werden (58, 86). Zudem treten abdominale Schmerzen mit Koliken, Durchfall und Erbrechen auf. Ursache der Myalgien ist vermutlich eine monozytäre Fasziitis (46). In Einzelfällen wurden eine kutane Kleingefäßvaskulitis und Pannikulitis nachgewiesen (50). TRAPS-Patienten entwickeln häufig eine Amyloidose mit meist renaler, seltener auch hepatischer Beteiligung (59).

Laborbefunde
Im Krankheitsschub finden sich bei TRAPS wie auch bei anderen Fiebersyndromen unspezifische Entzündungszeichen (58). Zudem ist meist die Serumkonzentration des löslichen TNF-Rezeptors (sTNFR) auf unter 1 ng pro mL verringert (60). IgA- und IgD-Spiegel im Serum sind häufig erhöht, IgD bleibt aber in der Regel unter 100 IU pro mL (58).

Behandlung

Patienten mit TRAPS sprechen auf eine Therapie mit höher dosierten Glucocorticoiden an (Einzeldosen von mehr als 20 mg Prednison). Die Wirkung unterliegt allerdings einer gewissen Toleranzentwicklung (58). Ein Therapieansatz, der die vermutete Pathogenese berücksichtigt, besteht in der subkutanen Gabe des TNFa-Antagonisten Etanercept. Eine Wirksamkeit wurde bisher in kleinen Patientenkollektiven gezeigt. So ließen sich Fieberschübe unterbrechen, und die Glucocorticoiddosis konnte reduziert werden (25, 45). Abzuwarten bleibt, ob durch eine Etanerceptbehandlung die Amyloidose positiv beeinflusst wird; über eine Wirkung im Einzelfall wurde berichtet (26).
Da Ergebnisse von kontrollierten Studien nicht vorliegen und Etanercept zur Behandlung des TRAPS in Deutschland noch nicht zugelassen ist, erscheint es sinnvoll, Behandlungsversuche zurzeit nur im Rahmen von Studien durchzuführen. Die zahlreichen Kontraindikationen und unerwünschten Wirkungen von Etanercept sind hier zu beachten.

Prognose
Die Prognose der TRAPS-Patienten wird wesentlich von der Entwicklung einer Amyloidose bestimmt. Es wurden für TRAPS-Patienten aus verschiedenen Familien sehr unterschiedliche Risiken (5 bis 100 Prozent) für Amyloidose beschrieben (59, 60).

Molekulargenetik und Pathogenese
Bei TRAPS handelt es sich um eine autosomal dominante Erkrankung. Zunächst wurde das Suszeptibilitäts-Gen auf Chromosom 12 lokalisiert (61, 64), später wurden Mutationen im TNF-Rezeptor-Superfamilie-1A-Gen (TNFRSF1A), das für den p55-TNF-Rezeptor kodiert, als ursächlich für die Erkrankung identifiziert (60). Bislang wurden etwa 40 Mutationen beschrieben (71), die vier der zehn Exons betreffen und die überwiegend in den Abschnitten der Gene liegen, die für die ersten beiden extrazellulären Domänen des Rezeptors kodieren (31). Als Pathomechanismus wird eine gestörte Abspaltung der TNF-Rezeptoren von der Zelloberfläche („shedding“) mit verringerten sTNFR-Serumspiegeln diskutiert (1, 60). Die Anreicherung von Rezeptoren soll dann eine übermäßige Aktivierung der inflammatorischen TNF-Signalübertragung bewirken (60). Allerdings wurden für manche Mutationen keine reduzierten sTNFR-Spiegel nachgewiesen (31), und bei einigen Familien mit der klinischen Diagnose TRAPS und verringerten sTNFR-Spiegeln wurden keine TNFRSFA1-Mutationen gefunden (2), was für das Vorliegen von genetischer Heterogenität bei TRAPS spricht.

Genetische Epidemiologie
TRAPS ist selten. Bisher wurde es überwiegend bei Familien nordeuropäischer Abstammung beschrieben.

Diagnostische Strategie

Meist kommt die Erkrankung in mehreren Generationen vor. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass sowohl Neumutationen, als auch unvollständige Penetranz das charakteristische Bild der familiären Erkrankung verwischen können. Die Bestimmung des löslichen TNF-Rezeptors ist mit diagnostischen Unsicherheiten behaftet, da dieser Wert bei einem Teil der TRAPS-Patienten normal ausfallen kann, bei einigen anderen systemisch-entzündlichen Erkrankungen wie zum Beispiel der rheumatoiden Arthritis ebenfalls erhöht gefunden wird und bei Patienten mit eingetretener Nierenschädigung unzuverlässig ist (2, 18). Insgesamt bietet die molekulargenetische Untersuchung den zuverlässigsten Nachweis für TRAPS.

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit4804 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser: Dr. med. Christian Timmann, Abteilung für Tropenmedizinische Grundlagenforschung,
Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Berhard-Nocht-Straße 74, 20359 Hamburg

 

RMZ, 25.05.2018



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