Reiseinformationen - Verkehr: Flugreisetauglichkeit
Flugreisetauglichkeit
Bildquelle: Werner Schönherr
Einführung
Eine Reise mit dem Flugzeug ist zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Dieser Trend hat sich mit der Zunahme der Billigflüge noch weiter verstärkt. Auch die Zahl älterer Reisender, die zum Teil lange Flugreisen (zum Beispiel nach Südafrika) unternehmen, steigt. Daher stellt sich immer häufiger die Frage nach der Reisefähigkeit:
- Mit welche Erkrankungen sollten Flugreisen vermieden werden?
- Welche Zeitabstände sind bei welchen Operationen bis zur Abreise einzuhalten?
Bedingungen an Bord
An Bord eines Verkehrsflugzeugs herrschen Bedingungen, die sich zum Teil deutlich von den Bedingungen unterscheiden, die in anderen Verkehrsmitteln wie Auto, Bussen und Bahn herrschen. Im Vordergrund steht hierbei der Druckunterschied. Passagierflugzeuge fliegen in einer Höhe von 10.000 bis 12.000 Metern. Außerhalb der Flugkabine finden sich in dieser Höhe extrem lebensfeindliche Bedingungen:
- Der Luftdruck und der Sauerstoffgehalt der Luft entsprechen hier nur einem Viertel der Werte in Meereshöhe
- Die Temperatur liegt bei etwa -50°C.
Durch die Kabine werden die Reisenden von den widrigen Außenbedingungen wirksam abgeschirmt. Der Luftdruck an Bord entspricht aber nicht dem Druck in Meereshöhe, sondern einer Höhe von etwa 2.400 Meter. Auch solche Höhenbedingungen haben einen Einfluss auf den Körper. Der Sauerstoffgehalt des Blutes liegt niedriger. Die sog. Sauerstoffsättigung der roten Blutkörperchen sinkt auch bei Gesunden von etwa 97% auf 90%. Durch den geringeren Druck in der Kabine dehnt sich zudem die Luft aus, die sich u.a. auch in den Nasennebenhöhlen, im Mittelohr und im Darm befindet. Weitere Besonderheiten an Bord von Flugzeugen sind die sehr trockene Luft (Luftfeuchtigkeit von nur 4 bis 15%) und die beengten Reisebedingungen mit wenig Bewegungsmöglichkeiten.
Patienten mit Vorerkrankungen
Durch den verminderten Sauerstoffgehalt der Luft an Bord von Flugzeugen kann es bei Patienten mit Lungenleiden, Verengung der Herzkranzgefäße (Koronare Herzkrankheit), Herzmuskelschwäche (Herzinsuffizienz) oder Blutarmut (Anämie) zu Problemen kommen. Als kritische Bereiche für die Flugreisetauglichkeit gelten eine Sauerstoffsättigung von mindestens 85% sowie bestimmte Grenzwerte bei der Lungenfunktionsuntersuchung. Das dem Patienten maximal mögliche Ausatmungsvolumen sollte drei Liter nicht unterschreiten (davon mindestens 70% innerhalb der ersten Sekunde des schnellstmöglichen Ausatmens). Aber auch, wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, muss nicht zwangsläufig auf den Flug verzichtet werden. Durch die Verwendung von Sauerstoffgeräten ist die Flugreise in vielen Fällen trotzdem möglich. Eigene Sauerstoffflaschen dürfen jedoch nicht mit an Bord gebracht werden. Der Bedarf eines Sauerstoffgerätes muss in jedem Fall bei der Fluggesellschaft angemeldet werden.
Nach orthopädischen und chirurgischen Eingriffen
Gipsverbände, die auf Flugreisen getragen werden, dürfen Arm oder Bein nicht komplett umschließen. Alternativ können gespaltene Gipsverbände angelegt werden. Durch die beengten Bedingungen und eingeschränkte Bewegungsfreiheit besteht, besonders bei Langstreckenflügen, ohnehin ein etwas erhöhtes Thrombose-Risiko. Bei Verletzungen, Wunden, bestimmten Verbänden, kann die Bewegungsfreiheit noch stärker eingeschränkt werden und das Thromboserisiko sich dadurch zusätzlich erhöhen.
Die während des Steigflugs auftretende Luftausdehnung in den Körperhöhlen kann vor allem bei Patienten nach chirurgischen Eingriffen (besonders: augenärztlich, HNO, obere Luftwege oder Darm) zu medizinischen Problemen führen.
Bildquelle: Till Bartels
Einschätzung der Flugreisetauglichkeit
Bereits der behandelnde Hausarzt oder Spezialist kann eine erste Einschätzung der Flugreisetauglichkeit vornehmen.
Der Arzt kann über das zuständige Reisebüro Angaben zur medizinischen Situation des Reisenden machen. Hierfür existiert das MEDA-Formular. Dieses Formular wird an den medizinischen Dienst der Fluggesellschaft weitergeleitet, der die endgültige Entscheidung über die Reisefähigkeit fällt. Bei regelmäßigen Flugreisen und dauerhaften Gesundheitsstörungen kann eine FREMEC (Frequent Traveller´s Medical Card), eine Karte, die über einen längeren Zeitraum die Flugreisetauglichkeit bescheinigt, beantragt werden.
Fehlende Flugreisetauglichkeit
Bei einer Reihe von Gesundheitsproblemen ist davon auszugehen, dass eine Flugreise aus medizinischen Gründen nicht möglich ist:
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allgemeiner fieberhafter Infekt
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unmittelbar nach operativen Eingriffen
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akute Nasennebenhöhlenentzündung
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sehr stark ausgeprägte Blutarmut (Anämie mit < 9-10 g Hämoglobin pro dl Blut)
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gehäuft auftretende Anfälle von Angina pectoris (anfallsartiger Brustschmerz bei koronarer Herzkrankheit)
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sich akut verschlechternde Herzmuskelschwäche
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schwere Herzrhythmusstörungen
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stark erhöhter Blutdruck (> 200/120 mmHg)
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akute Thrombose des tiefen Oberschenkels oder der Beckenvenen
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hochgradige Verengung der Arm- oder Beingefäße
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Aneurysma der aufsteigenden Aorta (Aorta ascendens)
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Darmverschluss (Ileus)
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Psychosen (z.B. Schizophrenie) im Falle von agitiertem Verhalten
- frische Netzhautablösung
Operationen
Nach gerade durchgeführten Operationen darf nicht geflogen werden. Wie lange gewartet werden muss, bis die Flugreisetauglichkeit wieder erlangt wird, hängt stark von der Art des Eingriffes ab:
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„Blinddarm“-Entfernung (Appendektomie): 10 Tage
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Leistenbruch-Operation: 10 Tage
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Entfernung der Gallenblase: 6 Wochen
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Laparoskopische Eingriffe (minimal invasiv, „Schlüsselloch-Technik“): 10 Tage
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Operation der gutartigen Prostatavergrößerung: 3 Wochen
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diagnostische Öffnung des Brustraums: 1 Woche
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Entfernung eines Lungenlappens: 12 Wochen
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Operation der Blutgefäße an Armen oder Beinen: 12 Wochen
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Entfernung der „Mandeln“ (Tonsillektomie):
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Operationen im Mittelohr: 10 Tage
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Erweiterung der Herzgefäße (Ballondilatation): 3 Tage
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Operationen innerhalb des Schädels: 6 bis 12 Monate
Schwangerschaft
Fazit
In allen Zweifelsfällen sollte rechtzeitig vor Abreise bzw. Buchung geklärt werden, ob medizinische Gründe gegen eine Flugreise sprechen. In vielen Fällen kann durch entsprechende Maßnahmen (Nutzung von Sauerstoffgeräten an Bord) oder durch Einhaltung bestimmter Zeitintervalle (z.B. nach Operationen) die Flugreisetauglichkeit wieder hergestellt werden. Die erforderlichen Zeitintervalle können stark variieren, zur Festlegung der Abstände bedarf es der individuellen Einschätzung des behandelnden Arztes und des medizinischen Dienstes der jeweiligen Fluggesellschaft.
Quelle
- Siedenburg S. Aktuelle Empfehlungen zur Flugreisetauglichkeit „Herr Doktor, darf ich fliegen“. MMW-Fortschr. Med 2001; 143: 414-419.
MG, SH, 19.09.2018