Reiseinformationen - Angstbotschaft Teil 2
Angstbotschaften
Teil 2 von 2 (Teil 1)
Eine Forschergruppe in den USA (Feinberg 2010) untersuchte am Beispiel des Themas Klimaveränderung, ob Angstbotschaften nicht auch kontraproduktiv sein könnten für das Verständnis komplexer Zusammenhänge und sich ggf. auch negativ auswirken könnten auf günstige Anpassungen von eigenem Verhalten. Positionen zu diesem Thema scheinen weniger mit Fakten oder Daten, sondern mehr mit Gefühlen zu tun zu haben (Scientific American 2011), und Feinberg beschrieb insbesondere einen Zusammenhang mit dem Glauben, die Welt sei gerecht, also planbar, als sicherheitsvermittelnd.
Katastophenmeldungen oder apokalytische Botschaften forderten diesen Glauben heraus und führten, je stärker der Glaube bei den Versuchspersonen ausgeprägt war zu starker innerer Abwehr. Als nützlich erwiesen sich differenzierte Botschaften, die Lösungen in den Vordergrund stellten.
Der World Wildlife Fund (WWF) hat diese Erkenntnisse aufgenommen und erarbeitet Strategien, die Menschen tatsächlich zu Veränderungen bewegen können (s. Lit.). Die Hoffung, Politiker und Wirtschaftsführer mit der Darstellung von Schreckensszenarien, zu sinnvollem Handeln überzeugen zu können, wurde als nachweislich wirkungslos und ggf. kontraproduktiv aufgegeben. Stattdessen sollen jetzt eigene Werte offensiv in den Vordergrund gerückt werden ("Wie wollen wir leben"), und es sollen die Werte anderer ernstgenommen und damit die positiven Gefühle direkt angesprochen werden ("Wie willst du leben?").
Angst ist also kein guter Ratgeber, aber oft ein guter Wegweiser.
- Wird in Angst sofort gehandelt, weil die eigene Kompetenz sehr gering zu sein scheint, verengt sich die Auswahl der Handlungsmöglichkeiten auf nur eine Option, die panisch verfolgt wird (oft bis zum bitteren Ende)
- Die Unterbrechung des Alltagstrottes, weil da etwas auftaucht, das Angst auslöst, kann aber ebenso zu einer kreativen Pause führen. Ist da etwas interessantes, was lohnt näher erforscht zu werden? Angst vor dem Unbekannten wandelt sich in ein anderes Gefühl: Überraschung: Da ist etwas, was anders ist als erwartet. Neugier entsteht: Vielleicht lohnt es jetzt etwas auszuprobieren? Oder das Neue wandelt sich in eine beherrschbare Herausforderung, die anzunehmen Sinn macht, für die es lohnt, Mühe aufzuwenden, um sie zu erforschen? Und schon hat Angst über Überraschung und Neugier zum Lernen geführt: Die Zahl der Handlungsmöglichkeiten steigt und das Selbstbewusstsein wächst.
Beispiele
- Ein Gast setzt sich fröhlich an seinen Frühstückstisch und will gerade sein Ei aufklopfen, da entdeckt er in der Zeitung mit den großen Buchstaben, die dort übliche Angst-Schlagzeile: "Dioxineier giftig!". Ihm vergeht der Appetit, und er isst lieber Butter mit Honig, weil er denkt, da sei weniger Chemie drin, weil er (mangels Information) glaubt, dass sei sicherer. Oder er denkt: "Alles Quatsch und Panikmache: Her mit dem Ei!". In beiden Fällen hat er nichts gelernt. Oder er denkt darüber nach, dass es vielleicht allgemein mit der Nahrungsmittelsicherheit nicht zum Besten bestellt sein könnte (Greenpeace), und überlegt, wie sich seine eigenen Eßgewohnheiten so ändern ließen, um möglichst wenig Schadstoffe abzubekommen. Er lernt und wird sein Frühstücksei trotzdem essen, denn die winzige Dosis, die darin sein mag, wird keinen Unterschied machen und die Hormonreste in der Butter sind vielleicht auch nicht optimal.
- Angstbotschaften überhöhen ein in der Realität kleines Risiko und machen blind für das Naheliegende, die tatsächlichen Risiken: Nach dem Terroranschlag auf die Zwillingstürme in New York, wurden Flugreisen vermieden, was einen Anstieg des Straßenverkehrsaufkommens zur Folge hatte und entsprechend zu mehr Unfällen mit Todesfolge führte. (Gigerenzer 2006)
- Schreckensmeldungen erhöhen zwar die Bereitwilligkeit für die gezeigten Opfer, insbesondere die Kinder, zu spenden. Der Glaube, dieser Akt des Mitleides würde bei den Opfern auch tatsächlich ankommen, scheint andererseits die Bereitschaft für Mitleid im Alltag zu senken. Die Summe der Empathiefähigkeit scheint relativ konstant zu sein. (Pancer 1998)
Institutionen oder Personen, die Angst-Botschaften einsetzen
- verhindern langfristige Lerneffekte und lösen kurzfristige Verhaltensänderungen aus,
- vielleicht, weil sie nicht wissen, dass andere Arten von Aufklärung möglich und effektiv sind, oder
- weil sie bewusst manipulieren, um in der ausgelösten Panikreaktion ein Produkt oder eine Dienstleistung zu vermarkten.
Wurde Angst einmal ausgelöst, ist es sinnvoll, sich an einen Ort zu begeben, an dem es sicher und ruhig ist: ein Straßencafé zum Beispiel. Dort kann man (bei einem Stück Kuchen und einem Milchkaffee) den Stress abklingen lassen und dann, ruhig geworden, damit beginnen, die neuen Informationen zu sortieren, neugierig zu betrachten und vielleicht zu überlegen, wie sie zu etwas Neuem Sinnvollen zusammengefügt werden können.
Literatur
- Achim St: Zur Natur künstlicher Gefühle, Achim St. & Walter (Hg.) Natur und Theorie der Emotion. mentis Verlag, Paderborn 2003, 2. Aufl. 2004.
- Dörner D.: Die Simulation von Gefühlen. Psychologisches Institut der Universität Bamberg, 17.1.2002
- Feinberg et. al.: Apocalypse Soon? Dire Messages Reduce Belief in Global Warming by Contradicting Just-World Beliefs, Psychological Science OnlineFirst, published on Dec 2010 as doi:10.1177/09567976103 91911, The essential in one minute (Scientific American 2011)
- Feinstein J et. al.: The Human Amygdala and the Induction and Experience of Fear, Current Biology Dec 2010, Volume 21, 10.1016/j.cub.2010.11.042
- Gigerenzer: Risk Analysis, Out of the Frying Pan into the Fire: Behavioral Reactions to Terrorist Attacks, 2006, Vol 26, No. 2, DOI: 10.1111/j.1539-6924.2006.00753.x
- Institut for Road Safety Research Netherland (SWOV)
- Pancer SM: Salience of appealand avoidance of helping situations, Can J of Behav Science, 1988, 20, 133-139
- WWF: Common Cause, 15.09.20, PDF
HEF, 23.05.2018