Reiseinformationen - Verhalten: Die Angst im Gepäck


Die Angst im Gepäck

Fernreisen erfordern Zeit, Geld - und Mut. Denn die Reise ins Ungewisse kann Ängste schüren, sei es vor dem Fliegen, vor Krokodilen oder einem Raubüberfall. Häufig lassen sich die Ängste mit einfachen Methoden überwinden.

Bildquelle: Irina Klein

Thailand wäre traumhaft. Am paradiesischen Strand liegen, irgendeinen Kokosdrink schlürfen und dann ein paar Wochen durchs Land reisen. Wenn nur der lange Flug nicht wäre. Und die vielen Schlangen. Gibt es in Thailand nicht auch Tiger? Außerdem stand doch in der Zeitung die Geschichte von diesem Schweizer, der zuviel getrunken hatte und ein Bild des Königs verunstaltet hatte. Dafür gab es zehn Jahre Gefängnis. Thailand scheidet also aus, zu gefährlich. Genauso wie Afrika (Vogelspinnen), Hawaii (Haie) und Australien (beides). Aber Rügen soll ja zu dieser Jahreszeit auch himmlisch sein.

So ungefähr dachte der Journalist Yannik Mahr, der unter diesem Pseudonym ein Buch verfasst hat: "Mit 80 Ängsten um die Welt". Darin bekennt sich der Autor dazu, fast sein halbes Leben lang allenfalls nach Dänemark gereist zu sein, weil er Angst vor langen Reisen hatte. Vor dem Fliegen, vor Malaria, vor Terroristen. "Diese Art der Fernreiseangst-Unterdrückung funktioniert allerdings nur so lange, wie der Betroffene nicht durch äußere Umstände zu einem Auslandsaufenthalt gezwungen wird", schreibt er. "Etwa durch den Beruf oder – wie in meinem Fall – durch eine (neue) Partnerin." Und der Liebe wegen überwindet er sich und berichtet amüsant von Reisen nach Asien und Amerika, die er trotz seiner Angst überlebt hat. Und damit hat er alles richtig gemacht.

So sieht es der Angstforscher Borwin Bandelow, Professor an der Universität Göttingen: "Die Konfrontationstherapie funktioniert meistens am besten. Manchmal braucht man dafür gar keine Behandlung. Die Therapie heißt: einfach hinfahren!" Nur durch die Überwindung könne die Angst besiegt werden; Vermeidung mache alles noch schlimmer. Wer das allein nicht schafft, sollte sich Hilfe holen. "In den Gelben Seiten stehen unzählige Psychiater und Psychologen", sagt er, "wer nur eine Psychotherapie wünscht, geht zum Psychologen. Ein Psychiater kann auch mit Medikamenten behandeln." Das allerdings sei in den meisten Fällen von klassischen Reiseängsten gar nicht nötig - meistens sei die einfache Konfrontationstherapie sehr erfolgreich. "Trotzdem gehen 50 Prozent der Angstpatienten nicht zum Arzt, was sehr schade ist. Denn man könnte ihnen ja helfen", so Bandelow. Die professionelle Hilfe wird abgetan als "Seelenklempnerei" und ist für viele Deutsche immer noch ein Tabuthema. Die Betroffenen sollten die Scheu vor dem Psychiater verlieren und ihn als ganz normalen Arzt ansehen. Im Zweifel könne auch der Hausarzt schon helfen. Angst vor Gesprächen in der Horizontalen über die Eltern und das Unterbewustsein müsse jedenfalls niemand haben: "Heute setzt man auf Verhaltenstherapie. Ich habe noch bei keinem Psychiater eine Couch gesehen."

Bildquelle: Irina Klein

Allerdings muss nicht jede Angst therapiert werden, sie ist grundsätzlich ein natürlicher Schutz. "Es gibt Länder, die sind viel gefährlicher als Deutschland. Zum Beispiel, weil es dort viele giftige Tiere gibt, oder weil dort politische Unruhen herrschen", sagt Angstforscher Bandelow. Da sei Vorsicht gar nicht schlecht. "Man muss nur etwas gegen die Angst tun, wenn sie übertrieben und unbegründet ist." Bei manchen Patienten sei das schon bei einer Reise von Hannover nach Kassel der Fall. "Manche vermeiden das Autofahren, weil sie denken im Stau eine Panikattacke zu bekommen", sagt Bandelow. Doch selbst Härtefällen und ängstlichen Zuhausebleibern rät er, sich dringend ihrer Angst zu stellen.

Der Lohn ist den Mutigen sicher: Nicht nur können sie die Welt auch jenseits von Usedom und Amsterdam entdecken, sondern fühlen sich auch besser. "Genauso gut wie das Angstsystem funktioniert das Belohnungssystem. Nach der erfolgreichen Überwindung werden Endorphine ausgeschüttet und dieser Erfolg führt auch zum Abbau von anderen Ängsten", sagt Bandelow. Deshalb sollte man seinen ängstlichen Schweinehund überwinden – oder als Mitreisender den Betroffenen ermutigen, sich der Angst immer wieder zu stellen.

Gut geht das bei der weit verbreiteten Höhenangst: Als Betroffener sollte man sich immer wieder nach oben trauen, zum Beispiel auf Kirchtürme und Berge steigen, die Angst einfach aushalten. Je öfter das klappt, desto kleiner die Angst." Als Mitreisender sollte man denjenigen ermuntern, gemeinsam raufzusteigen. Auf keinen Fall sollte man den anderen tröstend belohnen, wenn er der Angst nachgibt und nicht mitkommt." Denn sonst bleibe die Angst ständiger Begleiter.

 

Furcht vor dem Fliegen

Der frühere Flug-Angsthase Yannik Mahr ist in bester Gesellschaft: 15 Prozent der Deutschen haben Angst vorm Fliegen, fand das Institut für Demoskopie Allensbach in einer Umfrage heraus. Ob diese Angst schon immer bestand oder ob sie durch einen turbulenten Flug ausgelöst wurde, spielt keine Rolle. "Es gibt zwei Arten von Flugangst", sagt der Angstforscher Professor Borwin Bandelow, "die eine ist die Angst vor engen Räumen. Die andere ist Höhenangst beziehungsweise die Angst, abzustürzen." In beiden Fällen hilft nur die Gewöhnung." Zwar wissen die meisten, dass die Chance abzustürzen verschwindend gering ist und das Flugzeug das sicherste Transportmittel überhaupt - wenn es nach der Unfallstatistik geht. Doch helfen Zahlen nicht gegen Panik. "Es handelt sich um ein primitives Angstsystem, das beim Fliegen Alarm schlägt: Du bist kein Vogel, also kannst Du auch nicht fliegen", sagt Bandelow. "Allerdings hilft dagegen keine Statistik, sondern nur die Holzhammer-Methode – also Fliegen selbst." Je öfter man erlebe, dass bei einem Flug nichts passiert, umso kleiner werde die Angst.

Da Flugangst so weit verbreitet ist, findet man als Betroffener an vielen Stellen Hilfe: Beispeilsweise bietet die Agentur Texter-Millott in Zusammenarbeit mit der deutschen Lufthansa AG Wochenend-Seminare an verschiedenen Flughäfen an.:

Es gibt Berichte, dass die Seminare erfolgreich waren. "Man sollte vor allem darauf achten, dass bei so einem Seminar auch wirklich geflogen wird", rät der Experte Bandelow.

Wer sich erst einmal langsam an seine Angst herantasten möchte, findet unter www.treffpunkt-flugangst.de andere Betroffene, jede Menge Tipps und Buchempfehlungen. Im Netz gibt es auch ein E-Coaching-Programm, das die Angst nehmen soll. Ein Kurs kostet zwischen 20 und 50 Euro: www.goodbye-flugangst.de. Wem ein Flugzeug an sich suspekt ist, der kann sich unter www.erklaert.de über die Technik des Fliegens informieren. Eigentlich für Kinder und Jugendliche konzipiert, zeigt die Seite anschaulich, warum man mit einem Flugzeug wirklich fliegen kann – und zwar ganz sicher.

Bildquelle: Till Bartels

Furcht vor Tieren
Natürlich sollte man einem Löwen in freier Wildbahn mit Respekt und größter Vorsicht begegnen. Einem Krokodil auch. Und eine Giftspinne kann ebenfalls zur realen Gefahr werden. Wer allerdings schon vor einer kleinen deutschen Hausspinne davonläuft, wird es mit manchem australischem Exemplar nicht leicht haben – selbst, wenn es völlig ungefährlich ist.

"Eine Phobie ist meistens so logisch wie ein Vampirfilm", sagt Angstforscher Bandelow. Auch hier gebe es nur einen Weg: Sich mit dem Tier zu konfrontieren, wenn nötig, mit Hilfe eines Psychologen. "Mir selbst hat das auch geholfen. In einer Talkshow musste ich einmal eine Vogelspinne auf die Hand nehmen, und seitdem habe ich überhaupt keine Angst mehr vor Spinnen", erzählt der Experte. Zwar klappe es bei den meisten nicht beim ersten Mal, aber nach und nach könne so die Angst abgebaut werden. Diese Herangehensweise funktioniert natürlich auch bei Mäusen, Schlangen, Käfern und anderem Getier. Tiere, die wirklich gefährlich sind, kann man ruhig fürchten – aber erst, wenn sie einem begegnen. "Es ist ja nicht so, dass man in Australien ständig von Giftspinnen umgeben ist. Und auch in zwei Monaten Thailand habe ich keine einzige Schlange gesehen", beruhigt Professor Bandelow.

Haie trifft man beim Plantschen im Mittelmeer auch nur selten - auch wenn sie dort vorkommen. Manche Angst lässt sich also schon bekämpfen, in dem man sich über die Tierwelt im Zielland informiert. Das geht mit Hilfe eines Reiseführers oder auch online:

Bildquelle: Jäger

Furcht vor Krankheiten

In seinem Buch "Mit 80 Ängsten um die Welt" schreibt Yannik Mahr, dass er auf langen Reisen vor jeder erdenklichen Krankheit Angst hat – von der Thrombose im Flugzeug über Fußpilz im Hotel bis hin zu Malaria. Die Angst vor Malaria teilen viele; in einer Umfrage der GfK-Marktforschung im Auftrag der Apotheken-Umschau aus dem Jahr 2008 gaben rund 45 Prozent der Befragten an, auf einer Fernreise Angst vor Malaria und Hepatitis zu haben. Dabei sind andere Gefahren wesentlich größer nämlich Unfälle und Folgen unvorsichtigen Verhaltens. Ängstlichkeit schützt nicht, weil sie Verhalten bewirkt, dass die Illusion von Sicherheit vermittelt. Wirkliche Sicherheit kommt durch Verstehen und Erfahrung. Wer sich frühzeitig informiert, weiß, welche Krankheiten im Urlaubsland verbreitet sind und was vor, während und nach der Reise zu beachten ist. Dabei hilft zum Beispiel das Reisemedizinisches Zentrum am Bernhard-Nocht-Institut oder auch mancher Arzt.

Angst auslösen, um sie dann durch ein Produkt oder eine Dienstleistung wieder zu nehmen, gehört allerdings manchmal auch zum Geschäft.

Bildquelle: Jäger

Furcht vor Gewalt, Terror u. Justiz

Nicht jede Reise führt in ein klassisches "Urlaubsland." Darunter verstehen die meisten einen Staat, in dem sie um ihre Sicherheit nicht zu fürchten haben, in denen Hotels mit anderen Urlaubern stehen und für den Bikini am Strand keine Strafe winkt. Doch wer die Welt bereist, muss sich darauf einlassen, dass in den Ländern unterschiedliche Gegebenheiten herrschen – kulturell, sozial, politisch, gesellschaftlich und juristisch. Damit sollte sich jeder dringend vor der Abreise befassen. 

Im Fall einer Reisewarnung sollte man kein Risiko eingehen und besser erwägen, zuhause zu bleiben oder dahin zu reisen, wo es gerade ruhig und friedlich ist.

Aktuelle Sicherheitshinweise der Außenministerien:

 

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HEF, 19.09.2018



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