Insektizide als Risiko für Reisende
Untersuchungen des Zentralinstitutes für Arbeitsmedizin in Hamburg (Baur 2006 und 2009) beschreiben den leichtfertigen Umgang mit Pestiziden (gegen Ratten und gegen Insekten) in der Frachtschifffahrt und die damit verbundenen Gesundheitsrisiken für Lagerarbeiter, Schiffbesatzungen und Endverbraucher. 70% von über 2.000 untersuchten Containern in Hamburg wiesen erhöhte und 36% stark erhöhte Konzentrationen toxischer und krebsauslösender Chemikalien auf.
Diese Studien bestätigen sehr deutlich, wie in vielen Ländern der Erde "relativ locker" mit Insektiziden umgegangen wird. Die WHO hat inzwischen auch "alte", zwischenzeitlich ausgesonderte Pestizide wie DDT (s.u.) wieder für die Malariabekämpfung zugelassen. Daraus können sich, nicht nur in der Frachtschifffahrt, sondern auch für Reisende Gesundheitsrisiken ergeben, u.a. bei erhöhten Konzentration von Insektiziden
Bei großflächigem Einsatz von Pflanzengiften, die ins Grundwasser versickern, können auch ganze touristische Regionen betroffen sein (Beispiel: Guadeloupe und Martinique).
Gesundheitssymptome, die aus erhöhten Schadstoffbelastungen resultieren, sind meist nicht typisch und nicht für eine bestimmte Krankheit spezifisch: Kopfschmerz, Unwohlsein, Müdigkeit und allgemeines Krankheitsgefühl können vorherrschen, aber dies könnte ebenso für viele andere Krankheiten sprechen. Eine ursächliche Behandlung ist meist nicht möglich, so dass ärztliche Kunst sich oft darauf beschränkt, Infektionskrankheiten auszuschließen.
Empfehlungen für Reisende
Beispiel DDT
Im Jahr 1955 setzte sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Ziel einer endgültigen Beseitigung („Eradikation“) der Malaria. Dieses Ziel schien zu dieser Zeit durchaus realistisch zu sein. Im Jahr 1948 hatte der Schweizer Paul H. Müller für die Entdeckung der insektiziden Wirkung des DDT [1,1,1-Trichlor- 2,2-bis- (4-chlorophenyl)ethan] den Medizinnobelpreis erhalten. Mit dem DDT stand ein hochpotentes Mittel zur Bekämpfung der malariaübertragenden Anopheles-Mücke zur Verfügung. Man vermutete, dass die Erkrankung eliminiert wäre, sobald es gelänge, den Übertragungszyklus von der Mücke auf den Menschen (und umgekehrt) für einen Zeitraum von drei Jahren zu unterbrechen. Zahlreiche Länder hatten sich an dem Programm beteiligt. Vor allem ärmere Länder steckten nicht selten einen beträchtlichen Teil ihrer Gesundheitsbudgets in großangelegte Maßnahmen zur Mückenbekämpfung. Die Industrieländer investierten Milliarden Dollar in das Eradikationsprogramm. Die Teams der WHO waren rund um den Globus aktiv. Das wichtigste Element der Strategie war die Trockenlegung von Feuchtgebieten in Verbindung mit einem massiven Einsatz von DDT in Regenwäldern, Feldern und Dörfern. Das Programm zeigte erste Erfolge: Die Malaria verschwand in weiten Teilen Südeuropas, Nordafrikas und des Mittleren Ostens.
Scheitern des Projektes
Zunehmend häufig wurden jedoch DDT-resistente Moskitos beobachtet. Wegen der hohen Bioverfügbarkeit und des extrem langsamen natürlichen Abbaus des DDT kam es bei seiner großflächigen Anwendung zu erheblichen Schäden in den betroffenen Ökosystemen (z.B. Beseitigung von Nutzinsekten). Beides zwang die WHO schließlich, sich auf bescheidenere Ziele zu verständigen und die Anwendung von DDT zwei Jahrzehnte lang nicht mehr zu propagieren. Ende der 1960er Jahre wurden die finanziellen Mittel für das Eradikationsprogramm deutlich reduziert. In den folgenden Jahren konnte die Malaria in weitem Ausmaß „den verlorenen Boden“ wieder zurückgewinnen. Heute sind etwa 3,2 Milliarden Menschen, also mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, von Malaria bedroht. Schätzungen zufolge erkranken jährlich zwischen 250 und 500 Millionen Personen an Malaria. Die Zahl der jährlichen Todesopfer liegt bei etwa einer Millionen Menschen; dabei handelt es sich in 80% der Fälle um afrikanische Kinder im Alter unter fünf Jahren.
Neue Perspektiven
Ende 2007 gaben Bill und Melinda Gates bekannt, eine Reihe von Programmen zur Bekämpfung der Malaria mit insgesamt einer Milliarde US-Dollar unterstützen zu wollen. Die Zeit sei reif, um einen weiteren Anlauf zur Beseitigung der Malaria vorzunehmen. Hochwirksame Kombinationspräparate (u.a. mit dem Wirkstoff Artemisinin) und zukünftig auch Malariaimpfstoffe könnten einen wichtigen Beitrag für die erfolgreiche Eindämmung/Eliminierung der Malaria leisten. Auch mit dem Einsatz genveränderter Überträgermücken wird experimentiert. In bereits existierenden Projekten konnten gute Erfolge mit der kombinierten Anwendung von mit Insektiziden imprägnierten Moskitonetzen, dem Einsatz von Insektiziden im häuslichen Umfeld und einer zeitlich begrenzten Einnahme effektiver Malariamedikamenten erzielt werden.
Aktuelle Ansätze
Für nachhaltige Erfolge müssen jedoch leistungsfähige Gesundheitssysteme in Regionen etabliert werden, in denen derzeit noch nicht einmal eine elementare Krankenversorgung möglich ist. Da aber Versuche der Weltgemeinschaft, eine breit angelegte („horizontale“) integrierte Gesundheitsversorgung für alle („Primary Health Care“, „Health for all by the year 2000“) zu sichern, nicht wie geplant realisierbar sind, konzentrieren sich internationale Gesundheitsorganisationen eher auf bescheidenere „vertikale“ Programme zur Ausrottung einer definierten Krankheit (wie Polio oder auch Malaria). Vertikale Programme haben den Vorteil, rasche Ergebnisse dokumentieren zu können, ihre langfristigen Auswirkungen sind jedoch umstritten. Zudem ist Malaria ein soziales und ökologisches Problem, dessen Verbreitung mit schlechten Wohnverhältnissen und niedrigem Bildungsstatus zusammenhängt. Eine reine Intervention über Maßnahmen des Gesundheitswesens ohne die allgemeinen Lebensverhältnisse zu beeinflussen wird deshalb des Problems auch bei großen Anstrengungen wohl kaum Herr werden.
Mögliche Probleme
Großangelegte Malariainitiativen binden Finanzmittel, die für die Unterstützung anderer, möglicherweise erfolgversprechenderer, Maßnahmen fehlen könnten. Eine medienwirksame Unterstützung von Projekten zur Malariabekämpfung kann ein positives Signal darstellen und könnte helfen, die vorhandenen Kräfte zu bündeln. Die Formulierung eines klaren Ziels kann jedoch zum jetzigen Zeitpunkt kaum mehr sein als ein Anstoß zu einer intensiven Auseinandersetzung über den einzuschlagenen Weg.
Dies beinhaltet die Wiederaufnahme der Diskussion über die ökologischen Konsequenzen eines massiven DDT-Einsatzes in weiten Teilen der Welt . Auch Phänomene wie die bereits schon jetzt (wieder) zu beobachtende Zunahme von DDT- und Permethrin-resistenten Insekten sowie die durch den Klimawandel bedingte Ausbreitung der Anopheles-Mücke (z.B. zunehmend häufigeres Vorkommen im afrikanischen Hochland) sollten en detail in Plänen zur globalen Eradikation der Malaria berücksichtigt werden. Die Entwicklung von Resistenzen gegen neue hochwirksame Malariamedikamente im Falle einer unsachgemäßen Anwendung durch große Teile einer Bevölkerung ist ein häufig beobachtetes Phänomen und ist in seinen Folgen ebenfalls einzukalkulieren.
Fazit
Ohne Berücksichtigung der dem System innewohnenden (sog. systemimmanenten) Mechanismen, die die bisherigen Bemühungen vereitelt haben, sind neue hochambitionierte Projekte häufig zum Scheitern verurteilt. Ein gutes Beispiel hierfür ist „das Gesetz zur Krebsbekämpfung“ mit dem Präsident Nixon 1972 den Krebs durch den Einsatz gewaltiger finanzieller Mittel „besiegen“ wollte, ohne dass ein solides Konzept existiert hätte, wie dieses Ziel theoretisch zu erreichen sei. Heute steht der Krebs in den USA - trotz jährlichen Ausgaben von etwa 30 Milliarden Dollar - immer noch an zweiter Stelle der Todesursachenstatistik. Anders bei dem nicht weniger ambitioniert erscheinenden Apollo-Projekt, welches letztlich zur erfolgreichen Mondlandung führte. So groß dabei im Einzelnen die technischen Herausforderungen waren, das gesamte Projekt stand auf der Grundlage eines soliden und detailliert ausgearbeiteten „Theoretisch möglich!“. Ähnliches wäre auch ein wünschenswerter Ansatz für aktuelle und zukünftige Programme zur Malaria-Eindämmung.
Quellen:
Weiterführende Literatur
Links:
HEF, MG, 22.08.2018