Fachinformationen - Grundlage: Daten Übersicht 2008


Grundlage: Daten Übersicht 2008

Reisetrends
Die Zahl internationaler Reisen für das Jahr 2007 wird auf 880-900 Millionen geschätzt. Dies entspräche einem Anstieg um 5,7% im Vergleich zum Vorjahr. Damit wäre 2007 für die Tourismusbranche das vierte Wachstumsjahr (durchschnittlich 4.1%) in Folge. Der gesamtwirtschaftliche Produktionswert der Tourismusindustrie belief sich 2006 auf mehr als 185 Mrd. Euro. Die Deutschen sind die größten Nettodevisenbringer im internationalen Reiseverkehr. Die Reiseausgaben im Ausland entsprechen 4,7% des gesamten privaten Verbrauchs.  Nach Angaben der Welttourismus Organisation (UNWTO) legten Brasilien und Argentinien mit 33% und 24% am stärksten zu. Ebenfalls zweistellige Zuwachsraten fanden sich in Südkorea (+18%) und Russland (+16%).

Die Zahl der Ankünfte ausländischer Touristen in Entwicklungsländern stieg zwischen 1990 und 1998 um 46% auf 190 Millionen an. Mittlerweile ist in vielen Entwicklungsländern der Tourismus die wesentliche Devisenquelle.
 
Die UNWTO prognostiziert weitere Steigerungsraten des Tourismus von 4% pro Jahr und rechnet für 2010 mit mehr als einer Milliarde und 2020 mit mehr als 1,5 Milliarden internationalen Reisen.
Die Deutschen gaben im Jahr 2006 60,5 Mrd. Euro für Reisen aus und liegen damit noch vor den US-Amerikanern.
 
Im Jahr 2005 belief sich die Anzahl der Reisenden auf 150,6 Mio. mit einem Anteil von 8,17% Fernreisen, zwei Jahre früher lag der Anteil der Fernreisenden lediglich bei 5%. Die durchschnittliche Urlaubsdauer im Jahr 2005 lag bei 11 Tagen (www.drv.de). Nahtourismus und Kurzurlaube zur Erholung entwickeln sich zunehmend zu einem neuen Markt (Vielhaber, 2005). Aktuell sind in Deutschland rund 70.000 Personen bei Reisebüros und Reiseveranstaltern beschäftigt, gut 6.400 davon befanden sich in der Ausbildung (www.drv.de).
 
Gesundheitsaspekte des Reisens
Epidemiologische Studien zur Reisemedizin sind selten. Meist wird in Publikationen über einzelne Erkrankungen und lokale Beobachtungen berichtet. Einige relativ seltene Gesundheitsaspekte des Reisens sind sehr ausführlich untersucht, andere, sehr häufige nur sporadisch erforscht. Zu wesentlichen Reiserisiken fehlen epidemiologisch gesicherte, prospektive Studien.
 
Der Einfluss des Reisens auf den Gesundheitszustand Reisender wurde in einer prospektiven Studie des Tropeninstitutes Hamburg untersucht. Der subjektiv eingeschätzte Gesundheitszustand verbesserte sich bei den Studienteilnehmern in der letzten Reisewoche verglichen mit dem vor der Reise. Arztbesuche wurden lange vor der Reise häufiger in Anspruch genommen als nach der Reise; somit waren Zuzahlungen für Gesundheitsleistungen nach der Reise niedriger. Reisen scheinen sich dieser Untersuchung zufolge überwiegend positiv auf den Gesundheitszustand auszuwirken. Insgesamt traten bei 10,1% der Reisenden Gesundheitsstörungen auf, die überwiegend als leicht bis mittelschwer empfunden worden waren (Erkrankungen bei Fernreisenden: 18,1%). Das Risiko während einer Reise zu erkranken stieg mit der Dauer der Reise und war höher bei jüngeren Reisenden, die möglicherweise größeres Risikoverhalten zeigen (Fleck et al. 2003 u. 2006)
 
Manche vorbestehenden Erkrankungen scheinen durch Tropenaufenthalte günstig beeinflusst zu werden (Steffen, 1984; Fleck et.al., 2003 u. 2006). Bei Männern mittleren Alters mit hohem Risiko für koronare Herzerkrankungen wurde ein direkter Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von angetretenen Urlaubsreisen und einem allgemein reduzierten Mortalitätsrisiko (insbesondere hinsichtlich Tod infolge koronarer Herzkrankheit) gefunden (Gump, 2000). Die Erkrankungen und Gesundheitsstörungen bei Reiserückkehrern werden in nahezu allen medizinischen Fachdisziplinen der ambulanten und stationären Versorgung gesehen. Die häufigsten Gesundheitsstörungen während einer Reise sind Unfälle, mit Bade- und Strandbesuchen assoziierte Gesundheitsstörungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Atemwegsstörungen, Reisediarrhoe und psychische Alterationen (Fleck 2006, Rack 2005). Die Wahrscheinlichkeit, im Ausland zu versterben, beträgt für alle Reisenden etwa 1/100.000. Als häufigste Ursachen von Mortalität werden bereits bestehende kardiovaskuläre Erkrankungen angegeben (50-70% der Todesfälle bei älteren Reisenden). Zweithäufigste Mortalitätsursache sind Unfälle im Verkehr, durch Ertrinken oder Gewalteinwirkung. 20-26 % der Todesfälle ereignen sich bei jüngeren Altersgruppen. (Paixao et.al., 1991; Steffen, 1991; Ahlm et.al., 1994; Prociv, 1995; Hoge et.al., 1996; Rombo, 1999; MacPherson et.al., 2000 a-b; Thomas, 2000; Evans et.al., 2001).
 
Daten über Inzidenzen spezifischer Infektionen bei Reisenden, die eine Empfehlung zur Impfprophylaxe begründen oder die publizierten Schutzraten nach Impfungen (z.B. gegen Typhus) beziehen sich meist auf einheimische Populationen, während Studien zur Übertragbarkeit dieser Informationen auf Touristen fehlen. Die Beschäftigung der Boulevard Medien mit Reiserisiken muss nicht unbedingt mit dem tatsächlichen Gefährdungsgrad bei Fernreisen übereinstimmen. Prospektive Kohortenstudien zur Verbesserung der Aussagekraft reisemedizinischer Empfehlungen und zur Bestätigung des vermutet günstigen Risiko-Nutzen-Vergleichs bei empfohlenen Maßnahmen sind dringend erforderlich (Hall, 2000), scheitern aber bislang oft an fehlender Finanzierung.
 
Reisemedizinische Empfehlungen müssen derzeit häufig ohne die notwendige wissenschaftliche Klarheit und epidemiologisch begründete Evidenz ausgesprochen werden. Sie beruhen oft auf unterschiedlichen Expertenmeinungen oder auf dem Konsensus einer Gruppe von Experten und nur selten auf randomisierten, prospektiven Studien mit Reisenden (Teitelbaum, 2000; Godlee, 2000, Lawrence 2005).
 
Die Gesundheit Reisender kann abhängig von Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen, Reiseziel, Klima, Reiseart, Verhalten und Lebensstil prinzipiell durch folgende Risiken gefährdet werden:
In England wurden die Kosten reiseassoziierter Erkrankungen von Reid et. al. (1993) auf 11 Mill. Pfund geschätzt (Kalkulationsbasis: 14 % der untersuchten 3.049 Fernreisenden erkrankten, 1 % mussten stationär behandelt werden). Diesen Kosten müssten mögliche Einsparungen durch Erholungseffekte gegenübergestellt werden.


Unfälle: Verkehr, Sport und Gewaltereignisse

Verkehrsunfälle
Weltweit werden schätzungsweise 1,2 Millionen Menschen pro Jahr bei Verkehrsunfällen getötet, weitere 20-50 Millionen Menschen werden nach Angaben der UN (2005) verletzt. Verkehrs- und Sportunfälle sind insbesondere bei Jugendlichen eine führende Krankheits- und Todesursache in Europa (Di Guiseppi, 1998). Untersuchungen aus den USA und der Schweiz zeigen, dass zwischen 23-44 % der Todesfälle bei Interkontinentalreisen auf Unfälle und nur 1-3 % auf Infektionskrankheiten zurückzuführen sind. Das Risiko durch Verkehrsunfälle nimmt in vielen Reiseländern mit wachsendem Verkehrsaufkommen zu (Mural, 1997; Sachdev, 2000). Zur Zeit rangieren Verkehrsunfälle nach der Malaria auf Platz neun der weltweiten Todesursachenstatistik. Nach Schätzungen der WHO werden sie im Jahr 2020 Platz drei belegen. Für Schwellenländer wie Indien und China wird eine Zunahme der Verkehrstoten zwischen 90 und 150% prognostiziert (Kopits 2005).

Weltweit entfallen bereits jetzt 85% aller Meldungen über Verkehrstote auf die Entwicklungsländer, wobei dort hauptsächlich Fußgänger, Businsassen und Fahrradfahrer versterben (Nantulya, 2002). Ursachen liegen im Verkehrsverhalten, dem unsicheren Zustand der Fahrzeuge und Straßen und an Alkoholkonsum. Von Unfällen betroffene Reisende sind häufig mit Streckentaxis, auf Lastwagen, mit dem Moped (Purkiss, 1990), dem Fahrrad oder auch zu Fuß unterwegs. Etwa 40% der Repatriierungsflüge gehen auf Unfälle im Straßenverkehr zurück.
Weitere Informationen: Verkehr und Reisemedizin

Sport- und Freizeitunfälle
Bei Sport- und Abenteuerreisen steht die Unfallgefahr deutlich im Vordergrund (Cooke et.al., 2000). Allerdings gibt es hierzu nur wenige systematische Untersuchungen. Der Risikoeinschätzung von Sportunfällen wird noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Sicherheit wird nicht genug geachtet, vor allem in Bezug auf die üblichen Trend-Sportarten: Gerätetauchen, Surfen, Wasser- und Jet-Ski, Skaten, Ski- und Snowboard-Fahren, Free-Riding, Hundeschlittenrennen und Wüstendurchquerungen, Mountainbiking, Paragliding, Skysurfing, Drachenfliegen, Canyoning, Abseilen in Schluchten, Rafting, Bergtrekking, Free-Climbing u.v.a. Dabei gilt oft das Motto "Höher oder tiefer, schneller und weiter" mit entsprechender Unfallgefahr. Mangelndes Training und schlechte Ausrüstung stehen bei den Risikofaktoren an erster Stelle.

Nach unterschiedlichen nicht überprüfbaren Statistiken soll beim Motorradfahren ein tödlicher Unfall pro 200.000 Stunden Fahrt registriert werden, beim Paragliding soll auf 30.000 Sportstunden ein tödlicher Unfall kommen, beim Mountainbiking wird über etwa 10 Verletzungen pro 1.000 Stunden Sport berichtet (Orthopäden Gradinger, diverse Interviews, 2005).

Wintersport
Lang- und Abfahrtslauf sowie Snowboarden sind erholsam und fördern körperliche Fitness. Bei riskantem Verhalten können sie aber auch zu erheblichen gesundheitlichen Problemen führen. Exakte Studien zu den tatsächlichen Risiken wurden nicht gefunden - die verfügbaren Statistiken haben eine begrenzte Aussagekraft, da die Gesamtheit der Personen, auf die sich die Meldungen beziehen, meist nur sehr vage eingeschätzt werden kann. Die Bergwacht Allgäu berichtet jährlich über mehr als 1.000 Bergunfälle im Winter, überwiegend bei Alpinskifahrern und Snowboardern (Anzahl der Todesfälle: 10-20/Jahr) (www.bergwacht-bayern.de). Zwischen 1992 und 2002 sank die Zahl der Skiunfälle, dafür stieg die Zahl der verunfallten Snowboarder. Insgesamt bleibt die Zahl der Unfälle bei Wintersportlern relativ konstant. (www.suva.ch)

Nach einer Studie des Institutes "Sicher leben" (www.spss.com/) verletzen sich von acht Millionen Skifahrern auf Österreichs Pisten jährlich 80.000 so schwer, dass sie in einem Krankenhaus behandelt werden müssen. Gefährdet sind insbesondere ältere Skifahrer, die weniger als zehn Tage pro Saison fahren. Verunfallte Snowboarder sind in der Regel jünger (und haben daher günstigere Heilungsraten als ältere Personen, die eher Ski fahren). Während die Anzahl der Bergrettungseinsätze (jährlich rund 12.000) - beim Skilaufen (n=3551) und Snowboarden (n=1371) - eher leicht rückläufig sind, ist beim Rodeln ein Zuwachs zu verzeichnen (2003: 142; 2004: 225; 2006:273) (Quelle: Einsatzstatistik der Bergwacht Bayern 2006).

Wassersport
Ein erhöhtes Unfallrisiko betrifft Tauch- und Schwimmsportler, Tod durch Ertrinken ist nicht selten, häufig im Zusammenhang mit Alkoholgenuss. Ein weiteres Risiko sind Sprünge ins Wasser von unklarer Tiefe oder Verletzungen von Schwimmern durch Schiffschrauben.

Bei ausländischen Touristen in Australien traten Unfälle besonders häufig beim Gerätetauchen oder bei der Nutzung von Wasserfahrzeugen auf Dekompressionskrankheit (54,7%), Frakturen und Luxationen (15,5%), Ertrinken und Beinahe-Ertrinken (14,9%) (Wilks, 2000, MMWR 1998).

Abenteuerreisen
Nach einer Studie in Neuseeland (Bentley et.al., 2000, 2006) standen etwa 20% aller Unfälle (Inzidenz: 8/100.000) und Todesfälle (Inzidenz: 0,8/100.000) unter Touristen in Zusammenhang mit "Adventure"-Sport. Der Begriff der "Abenteuersportart" wurde hier weit gefasst und reichte von Paragliding und Bungee-Jumping über Hubschrauberflüge, Wildwasser-Rafting und Whale-Watching bis hin zu Bergwandern, Reiten und Fahrradfahren. Die höchsten Unfallraten ergaben sich für Bergwandern, Klettern, Skifahren, Reiten und Radfahren. Nach den Beobachtungen neuseeländischer Veranstalter von Abenteuerreisen waren Unfälle bei Abenteuerreisenden am häufigsten auf deren Unvorsichtigkeit oder auf das Nicht-Befolgen von Anweisungen zurückzuführen.

Unfälle bei Bergtouren sind häufig; die Höhenkrankheit spielt demgegenüber eine untergeordnete Rolle. Die Häufigkeit von Bergunfällen in den Alpen wurde anhand von Aufzeichnungen der Bergrettung untersucht. Dabei zeigte sich, dass zwischen 1987 und 1997 die Anzahl der Rettungseinsätze und der verletzten Bergwanderer zwar deutlich zugenommen hat, die Anzahl der Todesfälle jedoch nicht anstieg (Lischke et.al., 2001). Ein Bergtourist von 1.000 verunfallt ernsthaft. Bei Touren in große Höhen trifft es sogar jeden Vierten. Die Mortalitätsrate bei Trekkern in Nepal lag von 1984 -1991 bei 14 -15 pro 100.000 (Shlim et.al., 1992), allgemein wird sie auf sechs bis acht Prozent geschätzt (Deutsche Gesellschaft für Berg- & ExpeditionsMedizin, www.bexmed.de).

Ein Anstieg der Fälle von akuter Bergkrankheit, Höhen-Lungenödem und Höhen-Hirnödem wurde zwischen 1983-1995 trotz eines linearen Anstiegs der Touristenzahlen in Nepal nicht beobachtet, was für größere Aufmerksamkeit und Vorsicht bei den Reiseveranstaltern spricht (Basnyat et.al., 1999). Allerdings bezieht sich diese Sorgfalt nicht notwendigerweise auf die einheimischen Träger, wie eine zwischen 1993 und 1995 in Zentral-Nepal durchgeführte Studie zeigte: Die Inzidenz medizinischer Probleme während des Trekking lag bei Trägern und westlichen Touristen bei über 50 %; allerdings erkrankten die Träger deutlich schwerer, und sämtliche Personen, die aus medizinischen Gründen evakuiert werden mussten (5 %), waren aus der Gruppe der Träger (Basnyat et.al., 1997). Insgesamt ist die Mortalität beim Trekking unter 5.000 m mit 0,01% gering im Vergleich zum Höhenbergsteigen mit etwa 3%. An den höchsten Achttausendern starben in manchen Jahren rund ein Viertel der Gipfelbezwinger. Der Mount Everest zum Beispiel wurde seit seiner Erstbesteigung 1953 bislang mehr als 1.700 mal von über 1.200 Personen bestiegen. Insgesamt haben bis 2003 175 Menschen den Drang zum Mount Everest mit dem Leben bezahlt (Alpinmedizinscher Rundbrief 31, Aug. 2004). Im Schnitt kommt jeder siebte Extrembergsteiger im Himalaya ums Leben.
In Südafrika wurden von 1988-1997 alle Wildtierunfälle analysiert: Sieben Touristen wurden getötet, 14 Attacken endeten mit z.T. schweren Verletzungen. Nahezu alle beruhten auf Unvorsichtigkeit (z.B. Alkoholmissbrauch, zu schnelles Fahren) (Durrheim et.al., 2001). Oft unberücksichtigt bleibt hierbei das Tollwutrisiko, dem Reisende bei Tierkontakten ausgesetzt sind (s.u.).

Gewalt und Kriminalität
Immer wieder machen Berichte über Touristen als Opfer von Entführungen in den Medien Schlagzeilen: in Kaschmir (1999), auf Jolo (2000), im Jemen (2001), in Kolumbien und Algerien (2003), Jemen (2005). Systematische Untersuchungen zu diesem Thema wurden nicht gefunden. Bei Reisen in Bürgerkriegsgebiete, Regionen mit ethnischen Konflikten und sehr ärmlichen Verhältnissen können Touristen zwischen die Fronten geraten oder als Faustpfand für Lösegelderpressungen missbraucht werden. Bei Missachtung von Reisewarnungen und einer unvorsichtigen Demonstration ihres Wohlstandes muss sicher mit einem hohen Risiko gerechnet werden. Terroranschläge sind auch Touristen zu einer neuen Gefahr geworden: Djerba (2002), Bali (2002 u. 2005), Sinai/Ägypten (2004, 2006) und Türkei (2005).
In Krisen- und Kriegsgebieten kommt es zu Veränderungen im Bereich der Mortalitätsursachen. Eine für die irakische Bevölkerung repräsentative Untersuchung zur Mortalität im Irak vor und nach der Invasion 2003 ergab eine deutlicher Zunahme des Sterberisikos insgesamt: bis zu 2,5-fache Erhöhung im Vergleich zur Vorkriegsperiode. Die Zahl gewaltsamer Todesfällen stieg um das 58-fache. Vor der Invasion waren Myokardinfarkte, zerebrovaskuläre Insulte und andere chronische Erkrankungen die Haupttodesursachen, während danach Tod durch Gewalteinwirkung an die erste Stelle trat. Die berichteten gewaltsamen Tode wurden mehrheitlich mit den Koalitionsstreitkräften in Verbindung gebracht und betrafen überwiegend Frauen und Kinder. Im selben Untersuchungszeitraum nahm auch die Kindersterblichkeit von 29 auf 57 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten zu. Dabei handelt es sich um einen bekannten Vorgang in Kriegszeiten, in denen Frauen ihre Kinder nicht in einem Krankenhaus zur Welt bringen können oder dies nicht wollen. (Roberts et.al., 2004).

Kriminelle Handlungen können auch von Reisenden ausgehen: 1995 wurden in Kanada 1.086 Verhaftungen bei kana-dischen Reisenden untersucht (57,5% der Verhafteten waren un-ter 40 Jahre alt, Männer/Frauen = 5,6/1). 33,1% Prozent der Verhaftungen standen im Zu-sammenhang mit Drogen (MacPherson et.al., 2000b). In vielen Reiseländern werden Verstöße gegen die örtlichen Drogengesetze extrem hart bestraft bei Einheimischen und auch bei Touris-ten; letztere dürfen nicht aufgrund ihres Status als Ausländer mit Milde rechnen, selbst Todes-urteile sind möglich. Immer wieder registriert das Auswärtige Amt Verhaftungen deutscher Touristen im Zusammenhang mit Drogendelikten. Die Verhängung hoher Geld- und Gefängnis-strafen ist bei solchen Vergehen üblich, eine Freilassung auf Kaution meist nicht möglich. Be-reits bei Verdacht auf Vorliegen von Sittlichkeitsdelikten muss –zum Beispiel in vielen islami-schen Ländern – mit einem rigorosen Vorgehen der Behörden gerechnet werden.

Die Kenntnis über lokale Gefahren und das Bewusstmachen von erforderlichen Verhaltensänderungen und -anpassungen vor Ort kann das Unfallrisiko erheblich senken!

Vorbestehende Erkrankungen

Akute Koronarerkrankungen gelten als häufigste Todesursache bei Urlaubsreisen. Eine Studie zeigte, dass die klassi-schen Risikofaktoren für Herzinfarkte wie Bluthochdruck, Rauchen und erbliche Vorbelastung auch unterwegs von Be-deutung sind. Für Personen mit derartigen Vorbelastungen erhöhte sich das Infarktrisiko zusätzlich, wenn sie die Reise als Selbstfahrer antraten oder ihren Urlaub in einem Zelt bzw. einem Wohnwagen verbrachten. Die Ursachen hierfür sind möglicherweise in den negativen Auswirkungen von Reisestress zu suchen. Während der ersten beiden Urlaubsta-ge war die Inzidenz für das Auftreten eines Herzinfarktes mit 21,1% aller reiseassoziierten kardialen Ereignisse am höchsten (Kop et.al., 2003).

Risiken auf Langstreckenflügen

Risiken bei Langstreckenflügen können prinzipiell assoziiert sein mit Bewegungsarmut unter engen Sitzverhältnissen, Lufttrockenheit und Dehydrierung und ggf. dem Kabinein-nendruck, der einer Höhe von 2.500 m entspricht. Infekti-onsrisiken sind dagegen geringer als in Bussen, da die Luft durch hocheffektive Filter in den Kabineninnenraum ge-langt.

Das Risiko von tiefen Beinvenenthrombosen und Lungenembolien nach Langstreckenflügen wird in Studien kontrovers diskutiert. Das es besteht ist unstrittig, jedoch wird die Bedeutung des Risikos sehr unterschiedlich gesehen. Es scheint jedoch sicher, dass das Risiko eines Reisenden für beide Krankheitsbilder wesentlich von der Länge des Fluges und dem Vorhandensein von angeborenen oder erworbenen Risikofaktoren für thromboembolische Ereignisse abhängt (Gi-angrande, 2002, Landgraf et.al., 2002).

Eine Studie fand eine mit 1,5 Fällen/Million erhöhte Inzidenz für das Auftreten pulmona-ler Embolien bei Reisenden, die über 5.000 km Flugstrecke zurücklegten. Im Vergleich dazu lag für Flugstrecken unter 5.000 km die Inzidenz bei 0,01 und für Passagiere, die mehr als 10.000 km bis zum Zielort flogen erhöhte sich die Inzidenz auf 4,8 Fälle/Million (Lapostolle et.al.2001, 2002). Ergebnisse einer laufenden WHO-Studie über venöse Thrombosen im Zu-sammenhang mit Flugreisen sowie über die Effektivität entsprechender Präventionsmaßnah-men werden für das Jahr 2006 erwartet (http://www.who.int/docstore/wer/pdf/2002/wer7724.pdf, 2002). Zuverlässige Aussagen über Kurzstreckenflügen sind bisher nicht möglich. Gesunde Passagiere unter 45 Jahren haben i.d. Regel ein vernachlässigbar geringes Risiko, unabhängig von verschiedenen Sitzklassen, und Flüge unter sechs Stunden sind vermutlich risikofrei (Schwarz, 2005). Nach der in dieser Arbeit erfolgten sorgfältigen Analyse verfügbarer prospektiver Studien betrug die Inzidenz der sym-ptomatischen Lungenembolie nach Langstreckenflügen etwa 0,4 Fälle pro eine Million Passagiere.

Allerdings erhöhte die Kombination von angeborener Risikofaktoren mit oralen Kontra-zeptiva das Risiko einer Venen-thromboseerkrankung um das vierzehn- bis sechzehnfache (Martinelli et.al.2003). Die Inzidenz der symptomatischen Beinvenenthrombose ohne Lungenembolie beläuft sich auf etwa 0,2 Prozent, das Risiko einer klinisch asymptomati-schen Beinvenenthrombose auf etwa ein Prozent. Die häufigste Komplikation ist die asymptomatische isolierte Muskel-ve-nenthrombose von fraglicher klinischer Relevanz. Es ist jedoch anzunehmen, dass dieses Krankheitsbild durch die Zunahme der Langstre-ckenflüge in Kombination mit dem steigenden Durchschnittsalter der Bevölkerung häufiger auf-treten wird (Iqbal et.al., 2003). Prophylaktisch ist es notwendig, Immobilisation und Dehydra-tation entgegenzuwirken (Hitos 2007); ggf. sind auch angepasste Stützhilfe wirksam und die einmalige Gabe von niedermolekularem Heparin (Philbrick 2007). Das Risiko kosmischer Strahlung ist bei Langstreckenflügen gering. Es spielt ggf. für fliegendes Per-sonal eine Rolle (Zeeb, 2000) und ggf. für Schwangere in den ersten Wochen vor Abschluss der Hirnentwicklung des Kindes (Chen 2005).

Stressbelastungen und Anpassungsstörungen

Störungen der Anpassung an die zunächst fremde Kultur und Umwelt (engl.: "culture shock") sind vielfach beschrieben (Oberg, 1958; Petersen, 1995; Furukawa, 1997; Mumford, 1998; Potasman, 2000). Diese Gesundheitsprobleme ent-stehen durch konfliktbehaftete Verar-beitung des persönlichen Kontextwechsels. Sie sind vor allem bei der Vorberei-tung und Ent-sendung von Langzeitauslandspersonal von Bedeutung. Nach der Rückkehr in das Herkunfts-land kann es zu einem sogenannten "reverse culture shock" kommen.

Der Lebensrhythmus kann an Zielorten mit starken, gesundheitsgefährdenden Stresso-ren belastet sein (Beispiel: Ü-bersterblichkeit von 134 % an ischämischer Herzerkrankung bei Besuchern von New York 1985-1994 (kontrolliert für
Pendler und Immigranten) (Christenfeld et.al., 1999).

In einer Untersuchung von Weltbank-Personal fand sich 1997 ein dreifach höheres Risi-ko für psychische Krankheitser-scheinungen bei Berufs-Fernreisenden im Vergleich zu Nicht-Reisenden, und ferner eine deutlich größere Häufigkeit für zahlreiche andere Allgemeinerkran-kungen (Liese, 1997). Die Auslösung von Folgeerkrankungen durch psychologi-schen Stress ist in arbeitsmedizinischen Studien vielfach belegt. Eine Folgestudie der Weltbank (Striker et.al., 1999) fand nicht nur die Reisebelastung (inkl. Jet Lag) als stress- und krankheitsauslösend, sondern auch die mit der Reise verbundene hohe, oft extreme Arbeitsbelastung, insbesondere während und unmittelbar nach der Reise (ohne Ruheta-ge einlegen zu können), sowie Probleme im familiären Bereich durch häufige Trennungen. Mehr als ein Drittel der Be-fragten von 498 Weltbank-Reisenden berichteten von hoher bis sehr hoher Stressbelastung, wobei der Zeitzo-nenwechsel nicht als wesentliche Belastung empfunden wurde. In einer Studie zu den körperli-chen Beschwerden von 140 Angestellten der kanadischen Öl- und Gasindustrie auf Dienstrei-sen gaben 76 % der Reisenden gesundheitliche Probleme an. Die häufigsten Beschwerden wa-ren Jet lag, Reisediarrhöe und gastrointestinale Probleme, Anpassungs-schwierigkeiten an das Klima sowie Unfälle und kleinere Verletzungen (Rogers et.al., 2002). Bei Partnern/innen und Kindern von Vielreisenden ist oft erheblicher Stress nachweisbar, der auch zu gesundheitlichen Auswirkungen führen kann (Espino et.al., 2002).

Neuere Untersuchungen an amerikanischen, israelischen und schwedischen Geschäfts-reisenden legen nahe, dass ne-ben negativer Belastung auch die positiven Aspekte, durch neue Eindrücke und Distanz vom Alltag, bei berufsbeding-ten Reisen Beachtung finden sollten. Au-ßerdem scheint es eine Reihe von wirksamen, aber z.T. individuell verschie-denen und an den jeweiligen Abschnitt der Reise angepassten Bewältigungsstrategien zu geben, die es den Be-rufsreisenden ermöglichen, mit den an sie gestellten Ansprüchen fertig zu werden. (Westman, 2004) Ein Drittel der Abbrüche von Langzeitaufenthalten bei Bediensteten des Auswärtigen Amtes erfolgt aus psychologi-schen Gründen (Platiel, 2000).

Infektionskrankheiten

Reale und virtuelle Epidemien

Im Mai 2005 hat das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) die Koordination und Weiterentwick-lung eines gemeinschaftlichen Netzwerks zur Überwachung von epidemiologischen Krankheiten in der Union über-nommen. Hier wurden schon 1998 die wichti-gen Krankheiten von Vertretern der Mitgliedsstaaten definiert und ein System entwickelt, das schnell über den Ausbruch und die getroffenen Kontrollmaßnahmen berichtet. Das Monitoring von Infektionserkrankungen hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Infektions-epidemiologische Netz-werke (u.a. http://www.promedmail.org) erlauben ein zeitnahes Monito-ring bei Ausbruchereignissen. Zum Beispiel wurde über einen Nipah-Enzephalitis-Ausbruch (Malaysia, 1999), Ebola-Epidemien (Uganda, 2007), SARS (SO-Asien, 2003), die Vogelgrippe H5N1 (SO-Asien, Europa 2005/2006) oder Chikungunya-Infektionen (Réunion, Mauritius u.a. 2006) umgehend weltweit berichtet. Bei solchen Ereignissen erfolgt die unmittelbare Information von staatlichen Stel-len und Tropeninstituten und der Presse zeitgleich, lange bevor eine sorgfältige epidemiologische Klärung erfolgen kann. Die Relevanz für das tatsächliche Risiko der Reisenden ist bei solchen Epidemien meist nicht untersucht. Reise-veranstalter und betroffene Gesundheitsbehörden sehen in schneller, aber oft ungenauer Berichterstattung über In-fektionsausbrüche eine Bedrohung, da eine plötzliche Veränderung des Reiseverhaltens zu Millionenverlusten führen kann. Beispielsweise verursachte der Ausbruch des Nipah-Virus in Malaysia (1999) nicht nur den Tod von über einhun-dert Personen in ländlichen Regionen sondern auch einen geschätzten Verlust von 395 Millionen Dollar durch stornierte Reisen von nicht betroffenen Personen und einen erheblichen Einbruch bei der Tourismusindustrie (http://www.lanka.net/). Durch das Aufbauschen lokaler Infektionsereignisse durch Presseorgane können „virtuelle Epidemien“ entstehen, denen ein realer infektionsepidemiologischer Bezug weitgehend fehlt. Auch die SARS (2003) und Vogelgrippe-Epidemien (aktuell) führten durch die Berichterstattung in den Medien häufig zu einer Überschätzung des tatsächlichen Risikos für Reisende. Mechanismen, die diesem Phänomen zugrunde liegen, sind in einer Publikation von Jänisch et.al. (2000) untersucht worden.

Die Zunahme von tropischen Infektionen und auch die Verbreitung bisher seltener oder neuer Virusinfektionen ist al-lerdings in den letzten Jahrzehnten wahrscheinlicher geworden. Das Wachstum von Nagetier- und Insektenpopulatio-nen in Entwicklungsländern wird durch Abholzung von Primärwäldern, Monokulturanbau und Ausweitung städtischer Armutszonen gefördert. Im Fall von SARS (2003) und Vogelgrippe (2004) spielte bzw. spielt das enge Zusam-menleben von Mensch und Tier sowie die Nutztierhaltung unter unhygienischen Bedingungen eine große Rolle. Soziale, ökologische und politische Krisen bringen die Gefährdung durch Epi-demien mit sich. Beispielsweise traten in Ost- und Zentralafrika in den vergangenen zwanzig Jahren wiederholt Epidemien der Schlafkrankheit (Trypanosomiasis) auf, obwohl die Erkrankung Mitte der sechziger Jahre bereits effektiv eingedämmt worden war. Das Wiederauftreten dieser Krankheit ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass effektive Kontrollprogramme durch Kriege unterbrochen wurden (Berrang Ford 2007).

Reisedurchfall

Die Häufigkeit von Durchfallerkrankungen wird in unterschiedlichen Studien je nach Definition mit 20-70% bei Fernrei-senden angegeben (Castelli, 1995; Cobelens et.al., 1998; Steffen et.al., 1999; von Sonnenburg et.al., 2000; Markwal-der, 2001). Die Inzidenz von Diarrhöe bei 30.369 Kurzreisenden nach Jamaika (1996-1997) lag bei 20,9 % (Steffen et.al., 1999). Über schwere Diarrhöe, definiert als drei ungeformte Stühle in 24 Stunden plus mindestens einem zu-sätzlichen Symptom wie Erbrechen, Fieber, blutiger Stuhl oder Krämpfe, klagten in dieser Studie 11,7 % der Reisen-den. In einer Multicenter-Studie mit 67.231 Befragungen und Stuhlprobenuntersuchungen fanden sich Neuerkran-kungsraten von 53,9% (Indien), 54,6% (Kenia), 23,6% (Jamaika) und 13,6% (Brasilien) mit Hospitalisierungsraten zwischen 1-13% (von Sonnenburg et.al., 2000). Der am häufigsten identifizierte Durchfallerreger war enterotoxischer Escherichia coli (ETEC). Andere Studien nennen als häufige Keime neben ETEC Campylobacter, Salmonellen, Yersinien und vi-rale Erreger (Mattila et.al., 1995; Castelli et.al., 1998; Paredes et.al., 2000). Bei mehr als der Hälfte der Betrof-fenen lässt sich im Rahmen der Diagnostik kein Erreger identifizieren (Lima 2001). Im Jahr 2004 wurden insgesamt 1.149 Erkrankungsfälle an Shigellose in Deutschland gemeldet, das sind 45% mehr als im Vorjahr. Die Fallzahl er-reichte damit nach einem Rückgang im Jahr 2003 (793 Erkrankungen) wieder das Niveau des Jahres 2002. Davon wurden ca. 70% der Erkrankungen aus dem Ausland importiert. Als Infektionsländer wurden in abnehmender Häufig-keit Ägypten, Indien und die Türkei, genannt (Epidemiologisches Bulletin des RKI, Nr. 35/ 2005). Auch in den letzten Jahren blieb die Inzidenz der Shigellose im Mittel sta-bil; so wurden im Jahr 2005 1169 Fälle registriert und im Jahr 2006 814 (RKI Infektionsepide-miologisches Jahrbuch, Jahresstatistik 2006, 2005). In welchem Umfang bei leichten Formen der Reisediarrhöe neben spezifischen Infektio-nen andere Faktoren wie Stress und Anpassungsstörungen eine Rolle spielen, wurde bisher nicht abschließend untersucht. Durchfallerkrankungen sind ebenfalls häufig bei Migranten, die nach Europa einreisen, oder auch bei Touristen, die nach Paris reisen (Prazuck et.al., 1998). Informationen zu Ty-phus und Paratyphus, Cholera, Hepatitis A und E, Polio (Kinderläh-mung) sowie Ciguatera: s. „spezifische Infektions-krankheiten“

Atemwegserkrankungen

Kontrollierte Studien zu Atemwegserkrankungen wurden nicht gefunden, obwohl sie häufige Reisekomplikationen dar-stellen (Habib, 2000). Einige Faktoren, die (neben bestehenden Vorerkrankungen) eine wesentliche Rolle bei Atem-wegsinfektionen spielen, sind verhaltensabhängig: z.B. das Rauchen und die Art der Nutzung von Klimaanlagen. A-temwegsinfektionen in den Tropen treten am häufigsten vor der Regenzeit bei hohen Temperaturen und niedriger Luft-feuchtigkeit auf.

Die Ausprägung von Atemwegserkrankungen auf Reisen ist offenbar abhängig vom Alter des Reisenden (Leder et.al., 2003). Höheres Alter steht eher im Zusammenhang mit dem Auftreten von Infektionen der unteren Atemwege (Bron-chitis, Lungenentzündung), während jüngere Reisende meist unter Infektionen der oberen Atemwege (Pharyngitis, Sinusitis) leiden. In einer prospektiven Studie mit 203 Asthmapatienten, die sog. "Abenteuerreisen" unternahmen, verschlechterte sich die Erkrankung während der Reise. Dies betraf vor allem Patienten, die schon vor der Reise häufig inhalative Bronchodilatatoren benutzt hatten, und diejenigen, die an anstrengenden Trekkingtouren teilnahmen. 43% der Reisenden mit Asthma erlit-ten einen akuten Anfall während ihrer Reise (Golan et.al., 2002).
Informationen zu Influenza, Vogelgrippe, Legionellosen und Tuberkulose s. „spezifische Infektionskrankheiten“

Sexuell übertragbare Erkrankungen (STI)

Mobilität ist ein wesentlicher Faktor für die Verbreitung sexuell übertragbarer Erkran-kungen (STI, sexually transmit-ted infections) (Lau, 2003). Observationsstudien berichten von Risikoverhalten bei Reisenden: ungeschützter Sex, oft assoziiert mit Alkoholmissbrauch oder der Einnahme anderer Suchtmittel. (Cabada, et.al., 2003; Batalla-Duran et.al., 2003; Bellis et.al., 2004). Befragungen zeigen unterschiedliche Raten der Kondombenutzung (75 % in ei-ner briti-schen Untersuchung und 10 % bei Reisenden in Hongkong) (Bloor et.al., 1998, Abdul-lah et. al., 1999), während in unterschiedlichen Befragungen fünf bis 50 % der Kurzzeitreisen-den angaben, während der Reise Sex mit Partnern zu haben, die ihnen vor der Reise nicht be-kannt waren (Correia et.al., 2001; Matteelli, 2001).
UNAIDS (http://www.unaids.org) zufolge lebten 2007 weltweit 33,2 Millionen Menschen mit HIV, davon 22,5 Millionen in Afrika südlich der Sahara (2,5 Millionen Neuinfektionen welt-weit im Jahre 2007). In einzelnen Regionen im südli-chen Afrika (z. B. in Swasiland)waren im Jahr 2005 mehr als 30% der Bevölkerung zwischen 15 und 49 Jahren HIV-infiziert (sog. Adult-Rate). Einige wenige Länder im Afrika südlich der Sahara zeigten 2005 erstmals eine leichte Ab-nahme der Fallzahl. Die am zweitstärksten betroffene Region ist die Karibik. HIV breitet sich zunehmend im osteuro-päischen und südostasiatischen Raum aus. Dort liegt die Zuwachsrate bei bis zu 25%. (Länderspezifische HIV-Infektionsraten: http://www.unaids.org)
2005 waren noch weltweit mehr als 40 Millionen Menschen HIV-infiziert, etwa fünf Milli-onen Personen infizierten sich neu und über drei Millionen verstarben an AIDS, darunter 500.000 Kinder unter 15 Jahren.
Behandelbare sexuell übertragbare Infektionen sind Indikatoren für Risikoverhalten, zu-sätzlich aber auch Kofaktoren der Übertragung von HIV (Koch et.al., 1997, Burstein et.al., 1998). Die Prävalenz der in Europa seltenen STI (Ulcus molle, Gonorrhoe oder Syphilis) ist in Regionen mit schlechter Gesundheitsversorgung und sozialem Elend ein wesent-liches Gesund-heitsproblem, das kompliziert wird durch zunehmende Antibiotika-Resistenz. Die Rate impor-tierter se-xuell übertragbarer Erkrankungen aus Entwicklungsländern ist nicht systematisch un-tersucht (Jones, 1999), ebenso wenig der Erreger-Export in diese Länder.
Seit Mitte der 90er Jahre werden in vielen europäischen Ländern wieder steigende Prä-valenzen von STI (HIV, Go-norrhoe, Syphilis) beobachtet. Das Robert-Koch-Institut gibt die In-zidenz der Syphilis in Deutschland mit 3,8/100.000 an (Vergleich: 4,1 /100.000 im Jahr 2005) (Epidemiologisches Bulletin des RKI, 29/07). Durch die aktuel-le epidemische Ausbreitung der Syphilis in einigen Großstädten und Ballungsräumen sinkt derzeit die Bedeutung der im Aus-land erworbenen Infektionen. Vor allem bei der heterosexuellen Übertragung spielt jedoch wei-terhin der Kon-takt mit Personen in oder aus Osteuropa und dem Balkan weiterhin eine wichtige Rolle.
Die Weiterverbreitung der Erkrankung wird begünstigt, wenn nach Behandlung einer Gonorrhoe oder einer Chlamydie-ninfektion ein Syphilistest vergessen wird (Hiltunen-Back 2002).
Zunahme an Geschlechtskrankheiten, deren Inzidenzen in den 80er und frühen 90er Jahren deutlich rückläufig waren, wird u.a. darauf zurückgeführt, dass das Bewusstsein für STI in der Bevölkerung mit dem Abflauen der Anti-AIDS-Kampagnen wieder sinkt (Nicoll, 2002; Doherty et.al., 2002). Auch mit dem Auftreten seltener STI (wie Lymphogranu-loma inguinale) muss bei Abnahme des Risikobewusstseins wieder gerechnet werden (Bremer, 2005, Rampf, 2004).
Touristen können auch STI in vorher wenig betroffene Gebiete einschleppen. Kriege und ethnische Auseinandersetzun-gen erhöhen das Risiko von STI-Importen. Aufgrund sozialer Ausweglosigkeit ist in vielen Ländern die Zahl weiblicher und männlicher Prostituierter sehr hoch. Aus Thailand, Philippinen, Sri Lanka, Burkina Faso, Mali, Elfenbeinküste, Be-nin und auch Brasilien wird über die Versklavung von Kindern berichtet, die in die Prostitution verkauft wer-den (http://www.unaids.org; http://www.child-abuse.com; http://www.ecpat.net/; http://www.terredeshommes.org; http://www.tdh.de).
Laut UNICEF (1999) sind weltweit mehr als zwei Millionen Kinder unter 18 Jahren in der Prostitution tätig, wegen der großen Dunkelziffer hält selbst UNICEF diese Zahl für viel zu nied-rig. Durch die Angst vor Aids ist die Nachfrage nach "unberührten Mädchen und Jungen" und damit der Handel mit Kindern erheblich angestiegen. Sexuelle Ausbeutung von Kindern ist ein Straftatbestand und seit der Einführung des Exterritorialprinzips in Jahr 1993 können Täter in Deutschland auch für im Ausland begangene Straftaten verurteilt werden. Obwohl die Zusam-menarbeit der Behörden in solchen Fällen noch erheblicher Verbesserung bedürfen, gibt es ers-te Erfolge bei der Umsetzung dieses Gesetzes. So wurde z.B. im Dezember 1998 ein 53-jähriger Mann vor einem bayrischen Gericht wegen sexuellem Missbrauch von Kindern in Thai-land schuldig gesprochen und zu vier Jahren Haft verurteilt. (http://www.ecpat.de)
Sextourismus spielt bei der Verbreitung des HI-Virus, insbesondere im asiatischen und lateinamerikanischen Raum, eine wesentliche Rolle. Sextouristen kommen aus allen gesell-schaftlichen Schichten und unterscheiden sich in Ihrem Erscheinungsbild zunächst nicht von anderen Reisenden. Die Studie "AIDS, Sex und Tourismus" von (Kleiber, 1995) lieferte um-fangreiches Datenmaterial zu Charakteristika und Risikoverhalten deutscher Sextouristen in verschiedenen Urlaubsländern. In dieser Arbeit wurde die Zahl deutscher Sextouristen in Thai-land für das Jahr 1990 auf 40.000 bis 60.000 geschätzt. Eine klar erkennbare Risikogruppe für "Unsafe-Sex" sind ältere, alleinreisende Männer. Das Sexual-verhalten im Ausland unterschied sich bei Männern meist nicht von dem im Herkunftsland, während Frauen sich oft dem Verhal-ten ihrer Sexualpartner im Ausland anpassen. Männer hatten häufiger Sexualkontakte, Frauen waren bei Sexualkontakten häufig ungeschützt (Bloor et.al., 1998).
 

Spezifische Infektionskrankheiten


Bei zunehmender Migration und Mobilität (Flugzeug) können Infektionserreger, ihre Vektoren und infizierte Reisende in der Inkubationsperiode rasch und sehr weit transportiert werden. Das Risiko einer Ansteckung mit lebensgefährlichen Viruserkrankungen ist bisher für Reisende glücklicherweise gering (in Deutschland: zwei Fälle von Lassa-Fieber, 2000). Die spo-radischen tödlichen Gelbfieber-Erkrankungen bei Touristen sind durch die vorbeugende Imp-fung zu vermei-den.

Bakterielle Meningitis
Die bakterielle Meningitis ist im wesentlichen ein saisonal auftretendes Gesundheitsproblem des afrikanischen Meningi-tisgürtels südlich der Sahara (de Chabalier et.al., 2000; WER 76/2001).
Im Jahr 2006 wurden 41.526 Erkrankungsfälle mit 3967 Toten gemeldet (MDSC 2006). Die höchsten Fallzahlen fanden sich Burkina Faso, Nigeria und der Demokratischen Republik Kongo. Im Jahr 2005 kam es zu 18311 Erkrankungen mit 2581 Todesfällen und im Jahr 2004 wurden in den Ländern des Meningitisgürtels 31712 Erkrankungen mit 4123 Toten gemeldet (MDSC 2005, 2004). Das Risiko in Asien ist wesentlich geringer (Pancharoen et.al., 2000). Ausbrüche von Neisseria meningitidis treten immer wieder in Saudi Arabien im Zusammenhang mit der Haji auf. Im Jahr 2000 konn-ten weltweit Kontakt-Erkrankungen mit der noch seltenen Serogruppe W135 im Zusammenhang mit Pilgerreisen nachgewiesen werden (Wilder-Smith et.al., 2002). Saudi Arabien hat für Pilger eine Impfung mit dem tetravalenten Impfstoff bei Einreise vorgeschrieben. Das Risiko einer Meningokokkenerkrankung ist für die übrigen Reisenden ge-ring; es wird bei Reisen in Länder, in denen die bakterielle Meningitis hyperendemisch ist, auf 0,4 /1 Mio. Reisen-de pro Monat geschätzt. Bei engem Kontakt zur einheimischen Bevölkerung und einfachen Rei-sebedingungen steigt das Risiko an (Pollard, 2002). Zum Vergleich: in Deutschland wurden im Jahr 2006 insgesamt 555 Fäller invasiver Menin-gokokken-Infektion diagnostiziert (RKI Infekti-onsepidemiologisches Jahrbuch, Jahresstatistik 2006, 2005). Dies ent-spricht einer Inzidenz von etwa 0, 578 /1 Mio Einwohner und Monat.


Cholera
Cholera wird durch das Bakterium Vibrio cholerae, das hauptsächlich über verunreinigte Nahrung oder verunreinigtes Wasser aufgenommen wird, übertragen. Die schwere Durchfallerkrankung kann unbehandelt wegen des ausgeprägten Flüssigkeitsverlustes schnell lebensbedrohlich wer-den. Das Risiko an Cholera zu erkranken ist für Reisende extrem gering. Im Jahr 2006 wurden dem Robert - Koch - Institut lediglich ein importierter Fall (RKI Infektionsepidemiologi-sches Jahrbuch, Jahresstatistik 2006,2005) von Cholera gemeldet, im Jahr 2005 war in Deutschland kein einziger Fall der Erkrankung registriert worden. Eine entsprechend höhere Dunkelziffer nicht gemeldeter Fälle, zum Beispiel bei mild verlaufender Erkrankung, kann jedoch weder bei Einhei-mischen noch bei touristischen Aufenthalten in Endemie-gebieten ausgeschlossen werden (Zu-ckerman 2007). Todesfällen sind in den Industrienationen bei adäquater Behand-lung eine abso-lute Rarität. (RKI, Epidemiologisches Bulletin des RKI, 38/2004)


Ciguatera
Durch den Genuss toxinhaltiger Riffraubfische kann es zu einer Nahrungsmittelvergiftung kom-men. Sie tritt überwie-gend in einem Gürtel zwischen 35° nördlicher und 35° südlicher Breite in der Karibik und im Südpazifik auf. Die jährli-che Inzidenz bei der einheimischen Bevölkerung schwankt zwischen 50-500/10.000 Einwohner, die Mortalität liegt bei ca. 0,1 % (Chateau-Degat 2007; Rakita, 1995, Crump et.al., 1999). Eine Studie aus dem Jahr 2000 zeigte, dass kei-ner der Reisenden in betroffene Gebiete vor der Abreise Informationen über die Risiken der Erkrankung erhalten hatte (Bavastrelli et.al., 2000). Eine Häufung von Ciguatera Fischvergiftungen auf den östlichen pazifischen Inseln wurde in Zusammenhang mit dem Auftreten des Klimaphänomens El Nino beobachtet, das unnatürlich warme Strömungen an den Küsten Süd- und Mittelamerikas zur Folge hat (http://www.who.int/topics/environmental_health/en/). Im Pazifik nimmt der Schweregrad und die Häufigkeit von West nach Ost zu. Durch den Export von tropischen Fischen und durch den Tourismus können Ciguateravergiftungen auch außerhalb der "normalen" Cigua-teragebieten auftreten. (http://www.gifte.de/)


Dengue-Fieber
Die Erkrankung wird in den Tropen und Subtropen durch tag - und nachtaktive Stechmücken übertragen. Im Jahr 2006 wurden dem Robert Koch Institut 174 klinisch bestätigte Fälle von Dengue-Fieber übermittelt - entspricht einer leichten Zunahme gegenüber dem Vorjahr (n=144 Fälle). Bei drei Millionen Reisenden in Risikogebiete entspricht dies einer Inzidenz von 5,8 Fällen pro 100.000 Reisende, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Wie schon in den Vorjahren, wurde auch 2007 kein Todesfall übermittelt, jedoch erstmalig nach Einführung des IfSG wurde in den Jahren 2004 und 2005 über je einen Fall von Dengue-Hämorrhagischen-Fieber (DHF) berichtet. (Epidemiologisches Bulletin des RKI, 27/07). Vermutlich kommt es welt-weit zu 50 Mio. Dengue-Infektionen pro Jahr ( WHO, Fact sheet 117)
). In Amerika hat sich die Zahl der Infektionen von 1995 bis 2002 mehr als verdoppelt auf 609.000, davon waren 15.000 sog. haemorrhagische Verlaufsformen (MMWR, 2000) Dengue-Fieber ist in mehr als 100 Ländern endemisch, v.a. in Südost-Asien und West-Pazifik, aber auch in Afrika und Amerika, vor 1970 erst in 9 Ländern (WHO Fact sheet 117 ). Als Ursache für die weltweite Verbreitung der Erkrankung wird unter anderem der internationale Reiseverkehr gese-hen, durch den neue Virusstämme in verschiedene Teile der Welt eingeschleppt werden (Jelinek et.al., 2002). Die überwiegende Anzahl der Erkrankungen verläuft mild. Bei wiederholten Infek-tionen kann es zu einer Komplikation, dem bereits o.g. Dengue-Hämorrhagischen-Fieber (DHF) kommen. Das DHF führt unbehandelt in bis zu 30% der Fälle zum Tod, mit moderner intensiv-medizinischer Versorgung kann diese Zahl auf weniger als 1 % reduziert werden. Ein Impfstoff ist in der Entwicklung.


Gelbfieber
Gelbfieber-Infektionen (ebenso wie andere Formen hämorrhagischen Fiebers) wurden in Deutschland in den Jahren 2001 - 2007 nicht gemeldet (Epidemiologisches Bulletin des RKI, 35/05; RKI Infektionsepidemiologisches Jahrbuch, Jahresstatistik 2006, 2005). Bei der Gelbfie-ber-Impfung handelt es sich um eine Lebendimpfung, die nur von zertifi-zierten Impfstellen ver-abreicht werden darf. In letzter Zeit wurde wiederholt von schwerer systemischen Nebenwir-kun-gen bei Älteren, z.T. mit Todesfolge, berichtet. Diesen Meldungen muss jedoch die große Anzahl der jährlich welt-weit verimpften Dosen gegenübergestellt werden. Derzeit geht man von einer Inzidenz von 0,09 bis 2,5 pro 1 Millionen Impfungen für die sogenannte viszerotrope Gelbfieber-impfung-assoziierte Erkrankung und von einer Häufigkeit von weniger als 1/8 Millionen für die Gelbfieberimpfung-assoziierte Enzephalitis aus (CDC; Cetron et.al., 2002)
Wegen dieser potentiellen Risiken sollten ausschließlich Personen geimpft werden, bei denen keine schwerwiegenden Gesundheitsstörungen bestehen. Bei Reisen in Gelbfieber-Endemiegebiete wird die Impfung weiterhin grundsätzlich empfohlen, da die Gelbfieber-Infektion bei bis zu 60% der Erkrankten einen tödlichen Verlauf nehmen kann und eine kausale Therapie fehlt.

Hepatitis A und E
Hepatitis A ist die häufigste durch vorbeugende Impfung zu verhütende Reiseerkrankung. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt die Anzahl der Hepatitis-A-Erkrankungen weltweit auf 1,4 Millionen pro Jahr.
Die Inzidenz von Hepatitis A wurde in Großbritannien bei Reisenden auf 0,05 % geschätzt, wobei eine natürliche Im-munität bei 30 % angenommen wurde und etwa 24 % eine Impfung erhalten hatten (Behrens, 1994). Eine neuere Datenanalyse bei nichtgeimpften kanadischen Reisenden, die Entwicklungsländer besuchten, ergab eine kalkulierte Inzidenz von nur 1/3000 Personenrei-semonaten (Teitelbaum, 2004).
Das höchste Infektionsrisiko für Reisende besteht in abnehmender Folge in Afrika, Asien und Lateinamerika; aber auch im Mittelmeerraum und in Osteuropa ist das Risiko erhöht (Ciccozzi et.al., 2002). In Deutschland ist die Zahl der ge-meldeten Hepatitis A- Erkrankungen in den letz-ten Jahren tendenziell rückläufig (2006:1226 Fälle, 2005: 1217 Fälle) (RKI Infektionsepidemio-logisches Jahrbuch, Jahresstatistik 2006, 2005). Im Jahr 2004 waren jedoch mehr Fälle als in den Vorjahren gemeldet wurden (1.925 Fälle). Im Jahr 2003 wurden 1.365 Erkrankungsfälle in Deutschland gemeldet. Von diesen bekannten Fällen wurde mehr als die Hälfte in Deutschland erworben (Epidemiologisches Bulletin des RKI, 33/04 und 3/05)). Zum Vergleich: 1995 gab es in Deutschland noch 6.600 Fälle von Hepatitis A (Epidemiologisches Bulletin des RKI, 9/97)
Wichtigstes Importland ist die Türkei (13,5%), gefolgt von Ägypten, Pakistan, Spanien, Marokko, Italien, Indien, Tune-sien und die Russische Förderation (Epidemiologisches Bulletin des RKI, 33/04). Der Rückgang der Erkrankungen wird u.a. auf die deutliche Zunahme der Impfprophyla-xe bei Reisenden zurückgeführt.
Das Risiko an einer Hepatitis E zu erkranken wurde bisher noch nicht systematisch untersucht (Potasman et.al., 2000). In einer Studie bei 356 Besuchern in US-amerikanischen Reisekliniken wurden die HEV- Antikörper vor Abreise und nach der Rückkehr bestimmt. Vier (nicht gegen Hepatitis A geimpfte) Personen zeigten eine HEV- Serokonversion sechs Monate nach der Reise. Die Reiseziele dieser Personen waren: Thailand, China, Russland und Peru (Oii et.al., 1999). In 2006 traten in Deutschland 52 Fälle von Hepatitis E auf (zum Vergleich: 32 Fälle in 2003 und 17 Fälle in 2002). Für die meisten Erkrankungsfälle kann ein Aufenthalt in einem Endemiegebiet oder ein Kontakt zu den Rück-kehrern aus diesen Gebieten ermittelt werden. Dennoch bleibt bei einigen Hepatitis E- Erkrankungen die Herkunft des Erregers unklar. (Epidemiologisches Bulletin des RKI, 33/04; RKI Infektionsepidemiologisches Jahrbuch, Jahresstatistik 2006, 2005)


Hepatits B und C
Die Hepatitis-B-Erkrankungen bei Reisenden sind durch zunehmende Impfungen rückläufig, trotzdem wurden im Jahre 2004 immerhin 793 Fälle (nach sexueller Exposition) gemeldet (Epi-demiologisches Bulletin des RKI, 46/2005). Die neuesten Zahlen zeigen wieder eine Zunahme der registrierten Fälle. In den Jahren 2006 / 2005 wurden 1179 und 1236 Hepatitis B Erkran-kungen gemeldet (RKI Infektionsepidemiologisches Jahrbuch, Jahresstatistik 2006, 2005). Ein großer Teil der Reisenden, die sich Risiken aussetzen, ist nicht gegen Hepatitis B geimpft (Zuckermann, 2000).
Hepatitis C: Eine sexuelle Übertragung von Hepatitis C ist zwar grundsätzlich möglich, stellt aber einen relativ ineffek-tiven Übertragungsweg und damit eine Ausnahme dar. Die Hauptübertra-gung im Ausland dürfte im Gesundheitsbe-reich liegen. In Deutschland finden sich die meisten Hepatitis C Fälle innerhalb bestimmter Risikogruppen (iv-Drogenabhängige, Gesundheitsberufe). Im Jahr 2006 wurden 7509 neue Fälle der Erkrankungen gemeldet (RKI Infek-tionsepidemiologi-sches Jahrbuch, Jahresstatistik 2006, 2005)


Influenza
Bei Aufenthalten länger als 30 Tage und bei Reisenden, die Freunde und Verwandte besuchen, besteht ein höheres Risiko an Influenza zu erkranken. (Leder et.al., 2003, Mutsch et al 2005). Influenza-Epidemien können sich rasch und global verbreiten (Pandemie 1918-1919: 20 Millio-nen Tote) und haben erhebliche ökonomische Auswirkungen (Melt-zer, 1999). Das weltweite In-fluenza-Überwachungs-Netzwerk der WHO sammelt in 110 Zentren in 83 Ländern ständig Daten, um jährlich eine aktuelle Impfstoff- Mischung zu gewährleisten (Owens, 2001; Arbeitsgemein-schaft Influenza am Robert-Koch-Institut http://www.rki.de). In Europa treten Influenzaerkran-kungen typischerweise im Winter (No-vember-Februar) auf. Reisende ohne Influenza-Schutzimpfung können die Viren zum Reiseziel mitnehmen und im Flugzeug, Hotel und auf Kreuzfahrtschiffen Kleinepidemien auslösen. (http://www.influenza.rki.de/agi/GetBericht).
Seit 2003 verbreitet sich das Vogelgrippevirus A H5N1 in Süd- Ost-Asien, Afrika und Europa. Bis März 2006 wurden weltweit etwa 180 Infektionen gemeldet. Die Sterblichkeitsrate betrug rund 54%. Das Virus hat sich inzwischen bis nach Osteuropa ausgebreitet. Zu diesem Zeitpunkt gibt es noch keinen spezifisch wirksamen Impfschutz gegen die Influenza Virus Typ A H5N1. Neura-minidasehemmer sind wirksam, bei unsachgenmäßem Gebrauch besteht jedoch die Gefahr der Resistenzentwicklung. Das Vogelgrippevirus erhöht die Gefahr der Entwicklung eines neuen pan-demischen Virus, das ebenso pathogen aber leicht von Mensch zu Mensch übertragbar wäre.


Japan-Enzephalitis
Das Risiko an Japan-Enzephalitis zu erkranken, ist für Reisende nicht untersucht, aber vermut-lich gering (Shlim, 2002). Die Centers for Disease Control in Atlanta (USA) schätzten es 1993 auf 1:5.000 bis 1:20.000 pro Woche des Aufenthaltes in ländlichen Endemiegebieten (MMWR 42/1993). Die weit überwiegende Mehrzahl der Infektionen ver-läuft ohne nennenswerte Sym-ptome. Die WHO geht von jährlich weltweit 50.000 klinisch relevanten Erkrankungen mit 10 000 Todesfällen aus, die meisten davon in Asien. Es steht ein wirksamer, international vertriebener aktiver Impfstoff zur Verfügung, der in Deutschland nicht zugelassen ist, aber über internationa-le Apotheken beschafft wer-den kann. Die Impfung ist lediglich für Langzeitreisende ( > 1 Monat ) in ländliche Regionen der Endemiegebiete (In-dien, Nepal, Myanmar, Malaysia, Vietnam, Kambodscha ) zu empfehlen.


Kinderlähmung (Polio)

Die 1988 von der WHO gestartete Initiative zur Ausrottung der Poliomyelitis sollte laut WHO-Angaben im Jahr 2005 vollendet sein, dieses Ziel ist nicht gelungen.. Bereits als poliofrei zertifi-ziert sind Australien, der amerikanische Konti-nent, der westpazifische Raum inklusive China und seit 2002 auch Europa. Die weltweite Zertifizierung der Poliofreiheit könnte nach drei Jahren ohne Nachweis von Poliowildviren frühestens 2008 erfolgen (Global Polio Eradication Initiati-ve, Strategic Plan, WHO, MMWR 2001).
Für 2006 sind 1.939 Polio-Fälle gemeldet worden. Als Polioendemiegebiete im engeren Sinn gel-ten derzeit nur Afgha-nistan, Indien, Nigeria und Pakistan. Jedoch existieren derzeit 12 weitere vormals "poliofreie" Länder (z.B. Äthiopien, Indonesien, Kenia, Nepal, Niger, Jemen) in denen wieder eine Polio-Aktivität registriert wurde (CDC, Global Polio Era-dication, Februar 2007). Lan-destypische und infrastrukturelle Probleme erschweren derzeit eine Ausrottung der Poli-omyelitis. Aufgrund der hohen Zahl an klinisch asymptomatischen Verläufen, der teilweise langen Inkubati-onszeit und möglicher Mutationen der Impfviren ist es nicht auszuschließen, dass die Erkrankung sich nach einiger Zeit wieder verbreitet und dann eventuell auf eine nicht mehr ausreichend ge-impfte Population trifft.


Legionellosen
Legionellen sind im Wasser lebende bewegliche Bakterien, die sich in schlecht gewarteten Klima-anlagen und Warm-wassersystemen vermehren. Legionellen-Infektionen treten gehäuft in den Sommer -und Herbstmonaten auf- vermut-lich wegen vermehrter Reiseaktivität und der damit verbundenen Infektionsrisiken (Decludt, 2000). Als besondere Risikogruppe gelten Abwehrge-schwächte, Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen sowie ältere Menschen und Raucher. Meldezahlen 2006/2005/2004/2003 571/556/475/395). (07.12.2005, Epidemiologisches Bulletin des RKI, 48/05; RKI Infektionsepidemiologisches Jahrbuch, Jahresstatistik 2006, 2005).


Malaria
Jährlich reisen etwa 25-30 Millionen Menschen aus nicht-tropischen Ländern in Malaria- Ende-miegebiete, von denen etwa 10.000-30.000 an Malaria erkranken (Croft, 2000). Für 2004 wur-den mit 707 weniger Malaria-Fälle gemeldet als in den Vorjahren. Eine ähnlich geringe Fallzahl wie im Jahre 2004 wurde zuletzt 1993 mit 732 Fällen beobachtet. Ein eindeutiger Trend ist damit in den letzten Jahren nicht zu beobachten. Neuere Zahlen liegen etwas niedriger (2006/2005: 566/630 Fälle) erlauben aber ebenfalls keine Prognose über die weitere Entwicklung der Fallzah-len in Deutschland. Im Berichtsjahr 2006 wurden 4 Todesfälle angeben (0.7%) (Epidemiologi-sches Bulletin des RKI, 41/07). In etwa 12% der Fälle verläuft die Malaria kompliziert; durch die verzögerte Diagnose bei zerebraler Malaria steigt die Sterblichkeit auf 2-6%. Von 1993-1996 starben in Deutschland 89 Personen an Malaria, bei etwa 800-1000 gemelde-ten Erkrankungen pro Jahr. Im Jahr 2003 waren es 819 Erkrankungen, darunter 5 Todesfälle (Epidemiologisches Bulle-tin des RKI, 38/04).

Der größte Teil (86%) der Erkrankungen wurde 2006-wie schon in den Vorjahren- aus afrikani-schen Ländern impor-tiert. Asien mit 9%, Amerika mit 4% und Australien/Ozeanien mit 2% sind demnach in der Rangfolge weit hinter Afrika anzufinden. (Epidemiologisches Bulletin des RKI, 41/07) Die häufigste Malariainfektion (77%) ist die Malaria tropica, gefolgt von Malaria tertiana (15%), Malaria quartana (3%) und Mischinfektionen (3%)(Epidemiologisches Bulletin des RKI, 41/07). Mit der Einführung des Infektionsschutzgesetzes im Jahr 2001 hat sich die Malariabeo-bachtung verän-dert. Der Nachweis des Erregers sowie Angaben des diagnostizierenden Arztes werden nun direkt, statt wie bisher über zuständige Gesundheitsämter und Landesbehörden, an das Robert Koch- Institut gemeldet. Wie auch in den Jah-ren zuvor weisen aktuell die "Stadtstaa-ten", allen voran Hamburg ( 2,9/100.000 Einwohner), deutlich höhere Inziden-zen auf als die "Länderstaaten" (z. B. Thüringen 0,1/100.000). Dies kann mehrere Gründe haben. Zum einen unter-scheidet sich das Reiseverhalten zwischen den Bundesländern, zum anderen leben Migran-ten aus Endemiegebieten in Deutschland eher in Ballungsgebieten (Epidemiologisches Bulletin des RKI, 41/07).
Der Anteil der Deutschen bei den hierzulande an Malaria tropica erkrankten Personen lag im Jahr 2006 bei 43%. Bei den übrigen Malariaformen (M. tertiana und quartana) lag der Anteil der Personen deutscher Herkunft bei 63%. 68% der Deutschen erkrankten nach touristischen Reisen bzw. nach Besuchen von Freunden oder Verwandten. Weitere Gründe waren Geschäftsreise (8%), Ausbildung und Forschung, humanitäre Hilfe, Militäreinsatz und Tätigkeiten im Reisebe-reich. Bei ausländischen Bürgern lagen Reisen zu Verwandten und Bekannten an der Spitze der Nennungen (79%) (Epidemiologisches Bulletin des RKI, 41/07).
Die empfohlene Malaria-Prophylaxe wirkt bei situationsgerechter Auswahl und korrekter Anwen-dung mit großer Si-cherheit. Das Prophylaxe- und Einnahmeverhalten entsprach 2004 im wesent-lichen den Vorjahren. 77% der Erkrank-ten hatten 2006 keine Medikamente zur Prophylaxe ver-wendet. Diejenigen Erkrankten, die eine Chemoprophylaxe durchgeführt hatten, nahmen die Medikamente in vielen Fällen unregelmäßig oder nur für zu kurze Zeit ein (Epidemio-logisches Bulletin des RKI, 41/07).
Impfstoffe werden gestestet, ihr genereller Einsatz ist noch nicht abzusehen. (O`Meara, 2007).


Schlafkrankheit, Trypanosomiasis
Die CDC geht davon aus, dass in den Endemiegebieten Afrikas jährlich mindestens 40.000 Men-schen neu infiziert werden. Aufgrund des Fehlens eines gut funktionierenden Meldesystems ist von einer hohen Dunkelziffer an Fällen auszugehen. Schätzungen gehen von mehr als 100.000 Neuinfektionen pro Jahr aus (CDC, 2004). Unbehandelt führt die Krankheit zum Tod (, 1998, Stich et.al., 2002). Nachdem in den 80er und 90er weniger als 15 Fälle von Schlaf-krankheit au-ßerhalb Afrikas diagnostiziert wurden, traten 2001 bei Touristen zehn Erkrankungen nach Auf-enthalten in den Nationalparks Tansanias auf. Auch 2005 erkrankte ein Amerikaner nach Seren-getisafari. Dies unterstreicht die Bedeutung der Schlafkrankheit in den Endemiegebieten, in de-ren Umgebung Gesundheitssysteme nicht oder nur be-grenzt funktionstüchtig sind. Die Infekti-onsfälle könnten aber auch auf regionale Veränderungen der Übertragungs-häufigkeit in den be-troffenen Parks zurückzuführen sein (Jelinek et.al., 2002a; Ripamonti et.al., 2002).


Tollwut

Für weite Teile der Welt liegen keine verlässlichen Daten zur Verbreitung der Tollwut vor. Nach Schätzungen der WHO versterben jährlich etwa 55.000 Menschen an Tollwut; 30-50% der Be-troffenen sind Kinder unter 15 Jahren. 90% der Todesfälle ereignen sich in Asien. 16
Prinzipiell kann Tollwut durch jedes Säugetier übertragen werden, das häufigste Reservoir sind in Asien und Afrika jedoch infizierte Hunde (www.who.int/rabies/en/). Im Jahre 2007 wurden in Europa insgesamt 3357 Fälle von Tollwut gemeldet ( im Vorjahr 9.174 Fälle ), der größte Teil betrifft Wildtiere ( n=1895 ), die Zahl erkrankter Menschen be-schränkte sich auf 3 ( davon je ein Fall in Russland, der Ukraine und Rumänien), als tollwutfrei gelten u. a. Belgien, Zypern, Finn-land, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Norwegen, Portugal, Schweden (WHO-rabies-bulletin). Es gibt hochwirksame und gut verträgliche Impfstoffe. Das Tollwutrisiko für Rei-sende ist kaum systematisch untersucht; es gibt überwiegend Einzelfallberichte (Hojer et.al., 2001). Im Mai 2004 erkrankte ein 51jähriger Mann, der 6 Wochen zuvor nach einem Aufenthalt in Indien (fünf Monate) nach Deutschland zurückgekehrt war. Der Mann starb wenige Tage nach Aufnahme in der Klinik. (Epidemiologisches Bulletin des RKI, 42/2004). Im Februar 2005 in-for-mierte die Deutsche Stiftung für Organtransplantation (DSO) über Tollwuterkrankungen bei ins-gesamt drei von sechs Organempfängern einer Ende des letzten Jahres verstorbenen Organ-spenderin. Die übrigen drei Transplantat-empfänger (zwei Corneae, eine Leber) zeigten keine Symptome von Tollwut. Die Diagnose Tollwut wurde sowohl bei der verstorbenen
Spenderin als auch bei zwei Empfängern durch das Bernard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg und das Konsiliarlabor für Tollwut am Universitätsklinikum Essen, Institut für Virologie; bestätigt. Bei der Organspenderin gab es weder zum Zeitpunkt des Todes noch bei der Organentnahme klinische Hinweise auf eine Tollwuterkrankung.
Da eine Erkrankung an Tollwut immer zum Tode führt, ist es zur Risikoeinschätzung wichtiger, die Anzahl der gebisse-nen und anderweitig exponierten Touristen zu berücksichtigen.
Tierbedingte Verletzungen werden bei Fernreisenden nicht selten beobachtet. Knapp 3,9% der Südostasientouristen und 1% der Afrikaurlauber werden während ihrer Reise durch potenziell tollwutverdächtige Tiere (meist Hunde und Affen) verletzt (Gautret 2007).
Im Oktober 2004 erkrankte eine 15jährige Amerikanerin an Tollwut, nachdem sie von einer infi-zierten Fledermaus gebissen wurde. Trotz fehlender Impfung und ohne Postexpositionsprophyla-xe überlebte das Mädchen nach einer experimentellen Therapie - damit geht sie als erster do-kumentierter Fall von überlebter Tollwuterkrankung in die Ge-schichte der Medizin ein. Die Grün-de für das Überleben bleiben jedoch unklar, zumal die Therapie bei anderen Toll-wutfällen nicht funktionierte (Epidemiologisches Bulletin des RKI, 03/05 ) . Auch in Europa kann das Tollwutvi-rus von Fledermäusen übertragen werden (Epidemiologisches Bulletin des RKI, 26/2003). In Schottland verstarb 2002 ein Mann an Tollwut infolge eines Fledermausbisses; seit 100 Jahren hatte es in Großbritannien keine Erkrankung gege-ben. Über den Nutzen der Schutzimpfung bei Exposition und über tödlich verlaufende Erkrankungen nach Bissverlet-zungen insbesondere in Südostasien wird immer wieder berichtet (Epidemiologisches Bulletin des RKI, 9/2001). Die Prä-valenz von Tollwut in Tierpopulationen der häufig besuchten Reiseländer ist teilweise sehr hoch. Das Robert-Koch-Institut schätzt das Risiko für einen Tierbiss mit Tollwutrisiko auf 500 bis 1000 Reisende pro Monat bei einem Aufent-halt in einem tropischen Land. Reisende mit einem erhöh-ten Infektionsrisiko, bei Langzeitaufenthalt, mangelnder ärztlicher Versorgung und Mangel an Zellkulturimpfstoffen im Reiseland, sollten sich präexpositionell vor Antritt der Reise mit hoch-wertigen heimischen Impfstoffen schützen. Jeder Reisende in einem Land mit Tollwutvorkommen muss über das Risiko einer Infektion aufgeklärt sein und Handlungsanweisungen für den Notfall erhalten.


Tuberkulose
     
Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass etwa ein Drittel der Weltbevölkerung mit dem Tuberkulose-Erreger infiziert ist. Die Zahl der jährlichen Neuinfektionen dürfte bei etwa 100 Mio. liegen. Weltweit schätzt die WHO die Zahl der an Tuberkulose Erkrankten auf 15,4 Mio., mit 8,8 Mio. Neuerkrankungen und 1,7 Mio Sterbefällen pro Jahr (Zahlen von 2003, WHO-Report 2005). Das Tuberkuloserisiko ist für Reisende bei touristischen Aufenthalten sehr gering, obwohl in Ein-zelfällen über eine Tuberkulose-Übertragung in Flugzeugen berichtet wurde (Kenyon et.al., 1996; Al-Jahdali et.al., 2003). Die Inzidenz eines positiven Hauttestes bei 1072 Langzeitreisen-den aus Holland betrug 2,8/1000 (Nichtmedizinisches Personal) bzw. 3,5/1000 (Einschluss von medizinischem Personal) (Cobelens et.al., 2000). Im Jahr 2006 betrug die Zahl der Tuberkulose-kranken in Deutschland 6022, was rund eine Verringerung der Inzidenz um die Hälfte innerhalb der vergangenen 10 Jahre bedeutet (RKI, Infektionsepidemiologisches Jahrbuch, Jahresstatistik 2006, 2005).

Typhus und Paratyphus 
Die Zahl der Typhusfälle wird von der WHO weltweit auf jährlich über 16 Millionen Erkrankungen und 600.000 Todesopfer geschätzt. Meist ist die einheimische Bevölkerung in Ländern mit nied-rigen Hygiene- und Trinkwasserstandards betroffen. In Endemiegebieten erkranken am häufigs-ten Kinder und junge Erwachsene im Alter zwischen 5 und 19 Jahren. Etwa 10% aller unbehan-delten Patienten scheiden den Erreger bis zu 3 Monate nach ihrer Genesung weiterhin aus und können so Menschen in ihrer Umgebung infizieren (WHO, Initiative for Vaccine Research; http://www.who.int/vaccines/en/typhoid.shtml). In Deutschland wurden im Jahr 2006 insgesamt 75 Fälle von Typhus gemeldet; bei 80 Erkrankungen im Jahr 2005 entspricht dies im Vergleich mit den 59 Erkrankungen des Jahres 2002 einer Zunahme von 27% bzw. 35%, jedoch über-steigt es nicht die 89 Fälle im Jahre 2001. (RKI, Infektionsepidemiologisches Jahrbuch, Jahres-statistik 2006, 2005; Epidemiologisches Bulletin des RKI, 35/05).

73 Fälle von Paratyphus wurden 2006 in Deutschland gemeldet, während es im Jahr 2005 nur 56 waren (Zunahme: 30%). (2004: 106 Fälle) (Epidemiologisches Bulletin des RKI, 35/05; RKI, Infektionsepidemiologisches Jahrbuch, Jahresstatistik 2006, 2005). Knapp 3/4 der Paratyphuser-krankungen(74%) wurden im Jahr 2006 importiert, z.B. aus Indien, der Türkei, Pakistan und Serbien (www.rki.de/cln_049/nn_494666/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber__Mbl__Typhus__Paratyphus.html; RKI Typhus und Paratyphus Merkblätter für Ärzte).


Risiken durch Gesundheitssysteme
Die Qualität medizinischer Leistungen kann auch in Deutschland sehr unterschiedlich sein. Verbindliche medizinische Qualitätsstandards fehlen in vielen Bereichen und bunte Ange-bote zur Gesundheitsverbesserung wuchern, da die „Medikalisierung“ von Lebensproblemen ein gewinnträchtiges Betätigungsfeld darstellt. In Ländern mit geringerer Wirtschaftskraft ist die Qualität medizinischer Leistungen deutlich niedriger als in Europa. Seit 1987 ist bekannt, dass klassische, traditionelle und graue Einrichtungen der Gesundheitsversorgung in vielen Tei-len Afrikas erheblich zur Dynamik der HIV-Epidemie beitrugen (Jäger, 1990, 91, 92, Illunga 1991). Betrachtet man den gesamten Markt an Gesundheitsleistungen im weitesten Sinn wird offensichtlich, dass die These von Illich (1976), das Gesundheitswesen selbst sei eine wesentli-che Bedrohung für die Gesundheit, in vielen Ländern der Erde traurige Realität bleibt. Gissel-quist (2004) ging so weit zu behaupten, unsaubere Injektionen seinen die wesentliche Ursache der HIV-Epidemie in Afrika, was in dieser Radikalität nicht unwidersprochen blieb (Schmid et.al., 2004).

Fraglos richtig ist jedoch, dass Reisende in vielen Ländern damit rechnen müssen, bei Kontakt mit dem „Gesundheitswesen“ ernsten (zusätzlichen) Schaden zu erleiden, insbesonde-re wenn bei geringer Qualität aus kommerziellen Gründen oder aus Unwissenheit Polypragma-sie betrieben wird („Viel hilft viel“).

Der German Pharma Health Fund (http://www.gphf.org) geht davon aus, dass 7% der weltweit gehandelten Medikamente gefälscht sind. Wieviel von den nicht gefälschten Medika-menten abgelaufen sind oder falsch angewandt werden, vermag niemand zu sagen. „Fake Drugs“ kommen vor als Malariatherapeutika, Impfstoffe oder Antibiotika oder auch als Beimi-schungen zu angeblich traditionellen Medikamenten (Beispiel: ein Pflanzenpräparat für die Haut, dem Cortison beigemischt ist). Ayurvedischen Arzneien und viele andere Medikamente auf Pflanzenbasis können nicht nur pestizid- sondern auch in erheblichem Maß schwermetallbe-lastet sein (Saper, 2004; Moore, 2000). Im Raum Boston in den USA hat eine Forschergruppe 70 verschiedene aryuvedische Arzneien, hergestellt in Indien und Pakistan, auf ihren Gehalt an Giften untersucht, wobei 20% der Arzneien Blei, Quecksilber und Arsen enthielten. Manche der Arzneien überschritten die zulässigen Grenzwerte um mehr als das tausendfache, über den Grenzwerten lagen sie fast alle. (Ernst, 2002)


Risiken durch Umweltbelastungen

Umweltbelastungen nehmen weltweit zu. Naturkatastrophen entwickeln sich zu „man made“-Katastrophen, z.B. wenn durch das Hurrikanverwüstete New Orleans nach einem Dammbruch eine hochgiftige toxische „Suppe“ ergießt oder die Wellen des Tsunami in Somalia Giftmülldeponien aufwirbeln.

In ehemaligen oder aktuellen Kriegsgebieten (Afghanistan, Irak, Serbien/Kosovo) ist die Umwelt z.T. nicht nur mit Minen, sondern auch mit radioaktivem Staub belastet, einige Entwicklungsländer (wie Benin und Somalia) importieren Giftmüll, andere versprühen Dioxine als Entlaubungsmittel („war on drugs“ in Kolumbien) oder lassen Quecksilbervergiftungen des Grund-, Fluss- oder Meerwassers beim Abbau von Gold und anderen Mineralien zu (Indone-sien, Brasilien, Kongo, Venezuela u.v.a).

In Bangladesh, Indien, Nepal und vielen anderen Weltregionen sind Millionen von Men-schen seit einigen Jahrzehnten hohen Arsenbelastungen ausgesetzt. Bei Arsenkonzentrationen von mehr als 10 μg pro Liter (1 μg = 0.001 mg) im Trinkwasser kommt es nach Jahren zu schweren Gesundheitsstörungen: u.a. Hautveränderungen, innere Erkrankungen, Krebs (Haut, Lunge, Niere) und Totgeburten. Allein in Bangladesh trinken nach einer Schätzung der Weltge-sundheitsorganisation (WHO) 30-77 Millionen Menschen Trinkwasser mit mehr als 50 μg Arsen pro Liter. Im benachbarten West-Bengalen und Zentralindien sollen 35-40 Millionen Menschen betroffen sein, außerdem zehntausende Menschen im Norden Chinas (innere Mongolei), Viet-nam, Taiwan, Mexiko, Chile und Argentinien u.a. Die WHO schätzt, dass in den am stärksten betroffenen Regionen jeder hundertste Erwachsene an arsenbedingten Krebserkrankungen und jeder zehnte an anderen Folgen einer Arsenvergiftung sterben wird. Auch diese Katastrophe ist „man-made“: Die Ursache sind elf Millionen Rammbrunnen mit Handschwengelpumpen, die auf Bohrtiefen zwischen 50-100 Meter angelegt wurden. (Patel, 2005, Maddison 2005, Maharjan 2005)

Seit etwa 3.000 Jahren wurden insgesamt 300 Millionen Tonnen Blei gefördert. Fünf Millionen Tonnen oder mehr wurden über Autoabgase verteilt. Blei-Staub findet sich deshalb selbst auf Bergspitzen und im Gletschereis. In vielen Entwicklungsländern können dagegen In-dustrie- und Autoabgase, Farben in Geschirr oder Gläsern, Haarfärbemittel, Medikamente und Wasserrohre hohe Konzentrationen von Blei enthalten. Der Grenzwert im Trinkwasser (40 μg/L) wird in vielen Ländern überschritten. Insbesondere in städtischen Bereichen sind die Bö-den (besonders in der Nähe von Strassen oder Industrieanlagen) bleibelastet. Studien mit ex-akten Messungen fehlen in vielen Entwicklungsländern, es ist jedoch realistisch, dass die Be-lastungswerte in vielen Megastädten um den Faktor 10 höher sind als in Deutschland.

Schätzungsweise 24% der Krankheitsbelastungen der Weltbevölkerung lassen sich auf Um-weltfaktoren zurückführen. Die meisten dieser Umweltfaktoren wie Sauberkeit von Wasser und Luft wären relativ leicht durch den Menschen zu beeinflussen (Prüss-Ustün 2007).

Die Risiken für Reisende durch Umweltbedingungen sind bisher nicht systematisch untersucht worden. Es wird allgemein vermutet, Reisende seien wegen der in der Regel kurzen Aufenthaltsdauer kaum von Umweltbelastungen betroffen. Ob dies auch für die stark smogbe-lasteten Großstädte wie Mexiko-City, Los Angeles, Bangkok, Peking, Kalkutta u.a. zutrifft, ist fraglich. Studien zu dieser Thematik fehlen. Auch Untersuchungen zu Langzeitaufenthalten in Gegenden mit höherer Schadstoffbelastung von Luft, Wasser und Nahrung sind nicht bekannt.


Aussichten und Trends

Eine starke Zunahme älterer, sehr alter und oft gebrechlicher Reisender ist aufgrund des demographischen Faktors "steigende Lebenserwartung" und Veränderung des Reiseverhal-tens dieser Personengruppen sicher. Auch die Zahl der Reisenden mit chronischen Leiden wird zunehmen, wegen des genannten demographischen Faktors und der besseren Reiseangebote für diese Zielgruppe.

Nach einer Umfrage des Emnid Institutes (http://www.tns-emnid.com) zum Jahres-wechsel 2003/2004 sollen 61% der Deutschen den Vorsatz haben, "mehr für Gesundheit zu tun", gleichzeitig bestand insbesondere bei Älteren ein deutlich geäußertes Reiseinteresse. Im Rahmen der Gesundheitsstrukturveränderungen in Deutschland ist ebenfalls für die nächsten Jahre eine Zunahme von "Gesundheits- und Wellness-Reisen" und auch "Krankheitsbehand-lungstourismus" zu erwarten. Immer mehr Personen verfolgen mit dem Reisen Gesundheitszie-le. (Vielhaber, 2005)

Die WHO erwartet in den kommenden Jahren einen weiteren deutlichen Anstieg von psycho-mentalen Krankheiten insbesondere in Industrieländern (z.Zt. 23 % der Krankheitskos-ten) (http://www.who.int/mental_health/en/). Welche Auswirkung diese Entwicklung auf die Häufigkeit von reisestressassoziierten Erkrankungen hat, ist bislang nicht untersucht.

In der Reiseberatung wird die Nachfrage nach Hepatitis B sinken, da die Durchimp-fungsraten bei Kindern steigen. Je weiter Polio zurückgedrängt wird, desto seltener wird diese Impfung indiziert sein. Impfstoffe gegen Dengue-Fieber sind in Vorbereitung. Die Forschung zur Entwicklung eines Malaria-Impfstoffs war lange Zeit von Problemen und Rückschlägen ge-prägt, neue Studienergebnisse (Alonso et.al., 2004) sind optimistischer.

Die meisten Gesundheitsrisiken, denen Reisende begegnen, lassen sich allerdings nicht durch Impfungen vermeiden. Deshalb sollte neben Impfungen und medikamentöser Prophyla-xe ein Schwerpunkt der Reisegesundheitsberatung darauf liegen, über Gefahren aufzuklären und bei den Reisenden auf angemessenes Verhalten hinzuwirken. Andernfalls können sich die Beratenen in falscher Sicherheit wiegen, durch Impfungen und Prophylaxe gegen alle Krank-heiten geschützt zu sein, was zu riskantem Verhalten verleiten würde: Statt an Hepatitis A und Malaria erkrankten sie dann an Amöben- oder Dengue-lnfektionen. Informationen, und nicht nur Impfungen, sind zur Vorbeugung vor Reiseerkrankungen notwendig (Hoveyda et.al., 2003).

 

 

RMZ, 13.02.2009



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