Fachinformationen - Chagas: Krankheit
Chagas Trypanosomiasis, amerikanische Form (Chagas-Krankheit)
Erreger:
Trypanosoma cruzi (Protozoa, Zoomastigophora Gewebsflagellat)
Verbreitung:
Mexiko, Mittel- und Südamerika, die südliche Grenze liegt in etwa der Höhe Nordargentiniens, vereinzelt wurden Fälle in den Südstaaten der USA beschrieben. Schätzungsweise sind heute 8 Millionen Menschen mit T. cruzi infiziert.
Infektionsweg:
Die Übertragung erfolgt vor allem über Raubwanzen. Diese Insekten leben bevorzugt in Wandritzen und Strohdächern. Während des Blutsaugens (hauptsächlich nachts) setzen die Raubwanzen infektiöse Faeces ab. Diese können Konjunktiven, Schleimhäute oder kleinste Hautverletzungen kontaminieren. Aufgrund des Juckreizes, verursacht durch den Stich, werden die Erreger häufig in den Stichkanal eingerieben. Die Infektion der Raubwanze erfolgt ausschließlich durch Saugen an parasitämischen Wirten. Neben dem Menschen fungieren mehr als 150 verschiedene Spezies, u.a. Haus- und Nutztiere, als Reservoir. Werden Nahrungsmittel oder Getränke durch Wanzen oder deren Ausscheidungen kontaminiert, so ist auch eine orale Ansteckung möglich (Pereira 2010). Weitere Übertragungsrisiken bestehen bei Bluttransfusionen und Organtransplantationen. Auch transplazentar können die Erreger übertragen werden.
Inkubationszeit:
5–14 Tage nach Übertragung durch Raubwanzen, 20– 40 Tage nach Bluttransfusion
Symptomatik:
Die Erkrankung durchläuft drei Stadien:
- Akute Krankheitsphase: Nur ca. 30-40% der infizierten Personen entwickeln akute Krankheitssymptome, die akute Chagas-Krankheit ist zumeist eine Erkrankung von Kindern. Nach Infektion entwickelt sich häufig an der Eintrittsstelle des Erregers eine lokale Rötung und Schwellung (Chagom). In ca. 5-10% der Fälle ist das Ober- und Unterlid eines Auges betroffen (Romaña-Zeichen). Ein Chagom kann bis zu 8 Wochen persistieren. Nach einigen Tagen können ca. 2 Wochen anhaltende Allgemeinsymptome wie Fieber, Übelkeit, Durchfälle, Anämie, Lymphknotenschwellungen, Hepatosplenomegalie sowie teigige, stamm- und gesichtsbetonte Ödeme, erythematöse oder urtikarielle Hauterscheinungen auftreten. Insbesondere bei Neugeborenen und Kleinkindern verschlechtern Entzündungen am Herzen oder Gehirn die Prognose. In 5-10% der Fälle führen kardiale oder zerebrale Komplikationen in der akuten Krankheitsphase zum Tode. Bei HIV-Patienten kann die zerebrale Beteiligung bereits in der akuten Krankheitsphase sehr ausgeprägt sein.
- Latenzphase: Während dieser langandauernden Phase sind die Patienten symptomfrei. Bei HIV-Patienten kann es zum Wiederauftreten von akuten Krankheitssymptomen kommen.
- Chronische Krankheitsphase: Bei ca. 10-20% der infizierten Personen führt die fortschreitende, wahrscheinlich autoimmun bedingte Schädigung von neuronalem oder mesenchymalem Gewebe zu krankheitstypischen Organveränderungen. Die bedeutendste Spätfolge, sowohl zahlenmäßig als auch prognostisch, ist die Manifestation am Herzen. Die Symptome reichen von Ischämiebeschwerden über Reizbildungs- oder Reizleitungsstörungen bis hin zum Pumpversagen. Relativ häufig tritt der plötzliche Herztod oder thrombembolische Komplikationen auf. Weitere Organveränderungen betreffen den Verdauungstrakt, es kann zu Vergrößerungen der Speiseröhre (Megaösophagus) oder des Darms (Megaduodenum, Megakolon) kommen. Der Megaösophagus führt zu Achalasie-ähnlichen Beschwerden mit nachfolgender Neigung zu Aspirationspneumonien. Die Inzidenz von Ösophaguskarzinomen ist erhöht (gilt jedoch nicht als Präkanzerose). Patienten mit einem Megakolon leiden an chronischer Obstipation mit oft wochenlanger Stuhlverhaltung und abdominellen Schmerzen. Toxisches Megakolon, Volvolus oder Darmperforation mit nachfolgender eitriger Peritonitis sind häufige Todesursachen. Seltener wurden zentralnervöse Symptome während der chronischen Krankheitsphase beschrieben. Bei HIV-Patienten können in der chronischen Phase Symptome ähnlich einer zerebralen Toxoplasmose auftreten.
Diagnostik:
Der Erregernachweis gelingt hauptsächlich in der akuten Krankheitsphase aus dem Blut (Dicker Tropfen oder Konzentrationsverfahren), seltener aus Lymphknoten. Weitere diagnostische Methoden sind Blutkulturen, PCR, Xenodiagnostik oder Immundiagnostik (ELISA, IFT) und PCR. Der ELISA ist nach Infektion immer positiv, es bestehen jedoch ggf. Kreuzreaktion mit Leishmaniasis u.a.
Therapie:
Die Erregerbekämpfung ist nur in der akuten Krankheitsphase erfolgreich und erfolgt mit
- Benznidazol (Ragonil®), 5-7 mg/kg/d über 60 Tage NW: Übelkeit, Gewichtsverlust, photoallergische Exantheme, PNP, exfoliative Dermatitis, Heilungsraten 60 - 70 %
- Nifurtimox (Lampit®), Nitroimidazole, Erw.: 10mg/kg/d für 90-120 d, NW: GI-Störungen, Krampfanfälle, periph.Neuropathien, Psychosen
Die Therapie ist häufig mit ernsten NW verbunden und teuer. Sie senkt in der akuten Phase die Mortalität, ist aber schon in der in intermediärer Phase: umstritten. In der chronischer Phase ist eine ursächliche Theraoie wenig sinnvoll. Die Symptomomatik v.a. am Herzen und Darm müssen gezielt angegangen werden.
Prophylaxe, Immunität:
- Vektorbekämpfung
- Beseitigung oder Insektizidbehandlung von Strohdächern, Ritzen in Wänden und Böden
- Screening
- von Blutspendern oder von Blutprodukten in oder aus Endemiegebieten
- bei Organspenden in oder aus Endemiegebieten
- Vorsicht (auch aus anderen Gründen) bei
- Medizitourismus in Endemiegebiete
- Unterkünften in Lehmhütten (Moskitonetz!)
- Frisch zubereiteten Säften und naturvergorenen alkoholischen Getränken
Gesetzliche Regelungen:
Es besteht keine Meldepflicht nach IfSG.
Weiterführende Informationen zu Diagnostik und Therapie der Chagas-Krankheit
- Bern C, Montgomery SP, Herwaldt BL, et al. Evaluation and treatment of chagas disease in the United States: a systematic review. JAMA 2007; 298: 2171-8
- Pereira KS et al.: Transmission of chagas disease (american trypanosomiasis) by food. Adv Food Nutr Res. 2010;59:63-85. Epub 2010 Jun 24.
- Moncayo A.: An update on Chagas disease (human American trypanosomiasis). Ann Trop Med Parasitol. 2006 Dec;100(8):663-77.
MG, 25.04.2023